Tagebücher der Henker von Paris
gesagt, das Gesetz, welches die Strafe bestimmt. Sie erklären nur, daß er des Verbrechens schuldig und folglich in dem Falle ist, für den das Gesetz den Tod befiehlt, und ich als öffentlicher Diener des Staates gebrauche das Schwert, welches mir anvertraut worden, ich strafe das Verbrechen und räche die beleidigte Tugend. Das ist es, was meinem Amte den Vorzug gibt, es ist eine Stufe, die mich näher zum Throne hebt.
Der Advokat meiner Gegenpartei hat, da er in der Ausübung meines Berufes nichts Verächtliches finden konnte, um ihn herabzusetzen, die Unwürdigkeit einiger Personen, denen es hin und wieder anvertraut worden, an das Licht gezogen. Des Todes schuldige Leute, sagte er, die zur Hinrichtung verurteilt gewesen, haben ihr Leben dadurch erkauft, daß sie dieses abscheuliche Amt, das niemand ausüben wollte, übernahmen. Das ist wohl hin und wieder vorgekommen, man muß es zugeben, und darin muß man eben die wunderbare Verblendung der Menschen beklagen. Viele gute Untertanen, welche der Gesellschaft in der Ausübung dieses wichtigen Amtes hätten nützlich werden können, haben sich, durch das Vorurteil verblendet, davon ferngehalten und dadurch herbeigeführt, daß es Unwürdigen überlassen werden mußte. Was beweist das aber? Wie ein hohes Amt dem Narren, der damit bekleidet worden, kein besonderes Verdienst verleiht, so kann auch die Unwürdigkeit eines einzelnen Subjekts nicht das Amt erniedrigen. Wenn ich auf dieselbe Weise in das meinige getreten wäre, so würde sein Räsonnement auf mich passen, das gebe ich zu, aber es ist ganz anders. Ich habe die Ehre, in einer Familie zu sein, die das Amt vom Vater auf den Sohn vererbt, und hätte man, wie man es hätte tun sollen, ihm den erblichen Adel beigelegt, so könnte ich jetzt wohl mit der Frau Marquise um den Vortritt streiten.
Ich glaube genug gesagt zu haben, um mit der Versicherung schließen zu können, daß die Frau Marquise mit ihren Gründen abgewiesen werden muß. Ich würde ein Recht haben, gegen sie zu klagen, aber ich glaube, daß sie genug dadurch gestraft worden, daß sie so unvernünftige Anklagen vorgebracht hat; diese sind entehrender für sie als für mich. Ich beantrage schließlich nicht, daß man die behauptete Infamie meines Amtes aufhebe, denn eine solche hat es nie gegeben, sondern daß man in dem Urteil erkläre, ich sei nicht allein Mitglied des souveränen Gerichtshofes, sondern auch Chef in meinem Departement, ferner, daß mein Amt Ähnlichkeit mit dem der Waffen habe, und daß ich also die Vorrechte der Justiz und des Militärs genieße und infolge dieses doppelten Titels für adlig erklärt werde, ich und meine Nachkommenschaft. Ich zweifle nicht, daß alle Stimmen sich vereinigen werden, diese meine gerechten Forderungen zu bewilligen.«
Der Gerichtshof schritt zur Abstimmung und befahl endlich, die Akten beiseite zu legen, was so viel hieß, als daß kein Urteil erlassen werden solle.
Nach Verlauf fast eines Jahrhunderts veröffentliche ich dies sonderbare Plädoyer meines Ahnen, der eine Ehrenrettung, ja sogar eine Verherrlichung unseres Berufes, woran ich noch nicht gedacht habe, versuchte.
Die Halsbandgeschichte
Jeanne de Valois, Gräfin de la Motte; Kardinal de Rohan; Marie Antoinette; Cagliostro; Mlle. d'Oliva; Ludwig XVI.; der Prozeß und Vollstreckung.
Die Geschichte vom Halsband der Königin ist so bekannt, daß es mir unnütz scheint, sie in allen Einzelheiten wiederzuerzählen. Ich werde nur einige Tatsachen anführen, welche einigermaßen die Geheimnisse dieser dunklen Intrige, die die königliche Majestät in einer so unangenehmen Weise bloßstellte, aufklären. Obgleich die ganze Halsbandgeschichte um so bedeutungsvoller ist, als sie sich in einer Zeit ereignete, wo der Volksgeist sich seiner bewußt zu werden anfing und seine Regungen den Thron in den Grundfesten erschütterten, so werde ich mich doch, dem oben ausgesprochenen Satze getreu, darauf beschränken, in möglichster Kürze über die Ereignisse zu berichten, welche bewirkten, daß der Kardinal de Rohan, Herr de Cagliostro, Herr Retaux de Billette und Demoiselle Oliva verhaftet wurden und Frau Jeanne de Valois, Gräfin de la Motte, den Händen des Henkers verfiel.
Eines Tages begegnete Frau de Boulain-Villiers, die Gattin des Oberrichters zu Paris, in dem kleinen Dorfe St. Légersous-Bouvray im Burgundischen einem kleinen Mädchen, das ihr die Hand hinhielt und sagte:
»Meine schöne Frau! Schenkt, ich bitte Euch darum bei der Liebe des
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