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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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voraus die Henker erzittern ließ.
    Wie schon gesagt, blieb Damiens mehrere Minuten lang auf den Stufen des Schafotts sitzen; er hatte seine Festigkeit wiedergewonnen und betrachtete das Publikum mit sicheren Blicken. Er verlangte mit den Kommissarien zu sprechen, und man brachte ihn nach dem Stadthause. Er wandte sich an Herrn Pasquier und bat ihn, sich seiner Frau und Tochter, die nie etwas von seinen Plänen gewußt hätten, anzunehmen. Er widerrief noch einmal die Beschuldigung, die er auf Gautier geworfen hatte, und schwur beim Heile seiner Seele, daß er den Plan zu seinem Verbrechen allein entworfen und ausgeführt habe.
    Um fünf Uhr wurde er wieder auf den Platz und das Schafott gebracht.
    Die Pfanne, in welcher der Schwefel, mit glühenden Kohlen gemischt, brannte, erfüllte die Luft mit scharfem Geruche. Damiens hustete mehrere Male, dann betrachtete er, während die Knechte des Scharfrichters ihn auf die Plattform banden, seine rechte Hand mit demselben Ausdrucke von Traurigkeit, der sich auf seinem Gesichte kundgegeben hatte, als er seine Beine nach der Tortur ansah. Er murmelte einige Bruchstücke von Gebeten und sagte zweimal:
    »Was habe ich denn getan? Was habe ich denn getan?«
    Der Arm wurde auf einen Block derartig festgelegt, daß das Handgelenk über die letzte Planke der Plattform hinausreichte. Gabriel Sanson näherte sich mit der Kohlenpfanne. Als Damiens die bläuliche Flamme sein Fleisch erreichen fühlte, stieß er einen schrecklichen Schrei aus und biß in seine Banden. Als der erste Schmerz vorüber war, erhob er den Kopf wieder und sah zu, wie seine Hand abbrannte, ohne seinen Schmerz auf eine andere Weise als durch das Knirschen seiner Zähne kundzugeben.
    Dieser erste Teil der Strafvollstreckung dauerte drei Minuten.
    Charles Henri Sanson sah die Pfanne in den Händen seines Onkels wanken. Aus dem Schweiße, der sein Gesicht bedeckte, aus seiner Blässe, die fast ebenso groß war wie die des Delinquenten, und aus dem Schauder, der seine Glieder schüttelte, entnahm er, daß es ihm unmöglich sein würde, das Zangenreißen vorzunehmen; er bot deshalb einem der Knechte hundert Livres an, wenn er dies traurige Geschäft übernehmen wollte.
    Dieser Mann, welcher darauf einging, hieß André Legris.
    Er ließ sein schreckliches Instrument über Arme, Brust und Schenkel des Delinquenten gleiten; jedesmal riß dieses fürchterliche Feuereisen ein Stück zuckenden Fleisches heraus, und Legris goß dann in die klaffende Wunde bald kochendes Öl, bald brennendes Harz, bald glühenden Schwefel oder geschmolzenes Blei, das ihm die anderen Knechte reichten.
    Man sah nun etwas, was die Sprache zu beschreiben unfähig ist, was der menschliche Geist kaum zu fassen vermag, etwas Höllisches, das ich nur die Trunkenheit des Schmerzes nennen kann.
    Damiens, dessen Augen unverhältnismäßig weit aus ihren Höhlen getreten waren, dessen Haare sich sträubten und dessen Lippen sich fest ineinander gebissen hatten, verspottete die Henker, verachtete ihre Torturen und verlangte nach neuen Leiden. Als sein Fleisch unter den glühenden Flüssigkeiten aufzischte, mischte sich seine Stimme in diesen häßlichen Ton, und diese Stimme, die nichts Menschliches mehr hatte, brüllte:
    »Noch mehr! Noch mehr!«
    Und doch waren dies nur die Vorläufer der Hinrichtung.
    Man hob Damiens von der Plattform und legte ihn auf ein Zimmerwerk, das drei Fuß Höhe hatte und ein Andreaskreuz bildete, dann befestigte man die Ziehstränge eines Pferdes an jedes seiner Glieder.
    Während dieser Vorbereitungen hielt der Unglückliche seine Augen hartnäckig geschlossen. Der ehrwürdige Pfarrer von Saint-Paul, der ihn nicht verlassen hatte, sprach zu ihm; er gab ihm ein Zeichen, daß er ihn höre, aber er öffnete nicht die Augen. Man hätte sagen können, er wolle nicht, daß sein Blick, der bald Gott schauen sollte, auf die Barbaren fiele, die seinen elenden Körper so entsetzlich quälten. Von Zeit zu Zeit schrie er:
    »Jesus! Maria! Zu mir! Zu mir!«
    Als hätte er sie bitten wollen, ihn schnell seinen Henkern zu entreißen.
    Je ein Knecht hatte den Zügel eines Pferdes ergriffen, ein anderer stand hinter jedem der vier Tiere mit der Peitsche in der Hand. Charles Henri Sanson stand auf dem Schafott, so daß er alle seine Leute überblicken konnte.
    Auf sein Signal setzte sich dieses schreckliche Viergespann in Bewegung.
    Die Anstrengung war eine ungeheure, denn eines der Pferde stürzte auf das Pflaster nieder, aber die Muskeln

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