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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Stuhl an, und nachdem wir uns eine halbe Stunde unterhalten hatten, fragte sie mich, welches mein Amt sei. Ich antwortete natürlich, ich sei Beamter des Parlaments. Sogleich befahl sie, ein Kuvert für mich neben das ihrige zu legen, und wir nahmen zusammen ein so belebtes Mahl ein, daß es schien, von beiden Seiten spreche das Herz auch dabei mit.
    Nach dem Dessert ließ ich die Pferde vor meine Postchaise legen und zog mich mit vielen Danksagungen gegen diese vornehme Dame für den liebenswürdigen Empfang, den sie mir hatte zuteil werden lassen, zurück. Kaum war ich aber abgefahren, so sagte ein Edelmann von der Bekanntschaft der Marquise, der uns beisammen gesehen hatte:
    »Madame, kennen Sie den jungen Mann, mit dem Sie gespeist haben?«
    »Nein,« erwiderte sie, »er sagte mir, er sei Beamter des Parlaments.«
    »Es ist der Henker von Paris, ich kenne ihn sehr wohl; er hat entweder soeben eine Hinrichtung ausgeführt oder ihr wenigstens beigewohnt, denn er richtet selten mit eigener Hand.«
    Bei diesen Worten wäre die Marquise beinahe in Ohnmacht gefallen, sie war so bestürzt, daß sie nichts zu erwidern vermochte. Abscheu ergriff sie, und sie vergoß Tränen, wenn sie sich daran erinnerte, daß ich ihr die Hand gegeben hatte, um ihr über die Schwelle, die schwer zu übersteigen war, zu helfen; sie befahl sogleich, ihr Wasser zum Händewaschen zu bringen. Als ihre erste Bewegung vorüber war, stieg sie ganz erregt in ihre Equipage und dachte unterwegs über die Mittel nach, sich rächen zu können.
    Wirklich war die Marquise kaum in Paris angekommen, als sie dem Parlament ein Gesuch einreichte, in dem sie nach Erzählung des ihr Geschehenen beantragte, daß ich verurteilt würde, mit dem Stricke um den Hals sie um Verzeihung zu bitten wegen der vermeintlichen Beleidigung, die ich ihr angetan habe, und daß mir der Sicherheit des Publikums wegen befohlen würde, ein Abzeichen, das mich der ganzen Welt kenntlich machte, an meiner Person und meiner Equipage zu tragen.
    Der Gerichtshof forderte beide Parteien vor; ich suchte also überall nach einem Advokaten, der meine Sache verteidigen solle; mochte es aber das Ansehen der Frau Marquise, das nicht gering war, oder die Abneigung sein, die man gewöhnlich vor meinem Stande hat, niemand wollte sich mit meiner Sache befassen, und ich war genötigt, mich selbst zu verteidigen.
    Der Advokat der Gegenpartei vergaß nichts, um den Schimpf, den seiner Ansicht nach die Frau Marquise erlitten hatte, recht fühlbar zu machen. Er malte mit viel Beredsamkeit die traurige Lage dieser armen Dame, nachdem sie von dem Stande des Gastes, mit dem zu speisen sie das Unglück gehabt hatte, Kenntnis erhielt; er sagte, daß mein infames Amt mir nicht erlaube, mit einem einfachen Bürger zu speisen, viel weniger mit einer Standesperson, wie die Marquise von X. sei, und nach einem langen Plädoyer zog er denselben Schluß wie die Frau Marquise in ihrem Klagegesuche.
    Ich antwortete folgendermaßen:
    »Es ist ein Glück für mich, meine Herren, daß man, während man mich vor Ihnen als Verbrecher anklagt, mir nichts über meine Sitten oder meine Rechtschaffenheit vorwerfen kann.
    Die Ausübung meines Amtes ist kein Verbrechen, im Gegenteil, sie ist ein Akt der Gerechtigkeit; und dasselbe Prinzip der Gerechtigkeit, das Sie veranlaßt, die Strafe auszusprechen, beseelt mich, wenn der Schuldige sie zu erleiden hat. Meine Gegenpartei hat nicht überlegt, als sie mich vor Ihr Tribunal berief: wenn ich Ihre Gerechtigkeit forderte, so könnte sie sich beklagen und Sie verdächtigen. Unsere Ämter stehen in so enger Verbindung, daß Sie das meinige nicht verdächtig behandeln können, ohne dem Ihrigen einen tödlichen Stoß zu geben. Ich handle nur auf Ihre Befehle, und wenn es etwas Tadelnswertes an meinem Amte gäbe, so würden Sie es nicht verdammen können, weil nach dem Geist der Gesetze der, welcher das Verbrechen befiehlt, schuldiger als der, welcher es ausführt, und unter dieselbe Kategorie zu stellen ist.
    Der Gott der Waffen hat das Schwert in die Hände des Königs gelegt, um das Verbrechen zu strafen und die Unschuld zu beschützen. Da er selbst es nicht tun kann, hat er mir die Ehre angetan, es mir anzuvertrauen; ich bin der Verwalter dieses Schatzes, der von seinem Königtum und von dem Titel eines Herrschers untrennbar ist. Nicht Ihnen hat er es eigentlich anvertraut, nicht Ihre Urteilssprüche machen den Schuldigen des Todes würdig, sondern sein Verbrechen oder, besser

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