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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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erkenntlicher als mein eigenes Kind. Es schlägt nicht aus, wenn ich es verwunde, und das Kind, welches ich so sehr geliebt habe, hat mich zu Tode verletzt. Mein Vertrauen zu Gott, welches aus mir einen rechtschaffenen Handwerker gemacht, hat mein Sohn als Schwäche verlacht! Meine Verehrung des Königs nannte er eine Torheit und hatte kein Mitleid mit ihr, der er doch alles verdankte. Er hat meinen Namen den Namen von Spöttern und Verschwörern zugesellt. Mein Sohn hat sich so viel zuschulden kommen lassen, daß ich mich seiner schämen muß und ärmer und niedriger als ein Bettler geworden bin. Ich, der ich früher so sehr das Recht hatte, stolz zu sein. Oh, daß ich sehen mußte, daß ein Louschart der Freund eines jener feilen Verbrecher wurde, welche unser Unglück und unseren Untergang vorbereiten.«
    »Mein Vater,« rief Jean Louis, »überhäuft mich mit allen möglichen Beleidigungen, aber beschimpft nicht einen Mann –«
    »Lecointre beschimpfen?« rief der Greis lachend. »Einen Judas beschimpfen?«
    »Herr Lecointre ist ein Ehrenmann!« sagte Jean Louis mit starker Stimme.
    »Ein Ehrenmann wie du, der nach der Hand beißt, welche ihn ernährt. Wenn das so ist, werde ich deinem Lecointre den Schädel spalten, wie ich ihn dir jetzt zerschmettern will.«
    Bei diesen Worten schlug der alte Louschart mit der ganzen Gewalt seiner nervigen Faust seinen vor ihm stehenden Sohn ins Gesicht.
    Seit Beginn dieser schrecklichen Szene hatte Frau Verdier ihre Tochter verlassen, und diese war nun allmählich wieder zu sich gekommen.
    Noch viel zu schwach, um aufzustehen, hatte sich Helene, mit dem Rücken gegen die Hofmauer gelehnt, wenigstens in eine sitzende Stellung gebracht. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, und man hörte nur ein schmerzliches Stöhnen, in dem sich ihre Brust Luft machte.
    Frau Verdier stand neben dem Hufschmied, die Arme in die Hüften gestemmt, und schürte durch ihre Zurufe den törichten Zorn des Alten, der doch ohnehin so leicht ausbrach, immer noch mehr.
    Als der Vater seinem Sohne jenen blutigen Schlag versetzt hatte, brach die Megäre in ein teuflisches Hohngelächter aus.
    Jean Louis, der bei dem Schlage stumm geblieben war, wurde durch das widerwärtige Gekreisch wieder an sich selbst erinnert. Er schritt drohend auf das Weib zu.
    »Mein Vater kann mich schimpfen und schlagen,« rief er, »aber von Euch werde ich nichts dulden, Ihr Rabenmutter!«
    »Ja,« spottete der Alte, »du wirst es ihr freilich nicht verzeihen können, daß sie so wenig Nachsicht für deine Buhle hat.«
    »Mein Vater,« schrie Jean Louis mit einer furchtbaren Stimme, »mein Vater, sprecht nicht also –«
    »Du drohst mir? – Was, du drohst deinem Vater? Oh, ich habe dich nicht gesucht, Jean Louis, ich hatte dich verflucht und es Gott überlassen, mich zu rächen. Aber nun kommst du hierher, mir in meiner eigenen Wohnung Trotz zu bieten! Jean Louis, das ist unzweifelhaft ein Fingerzeig Gottes, daß ich selber dich für deine Freveltaten bestrafen soll.«
    Nachdem der alte Louschart diese Worte gesprochen, hatte er schon eine der neben ihm an der Hauswand angelehnten Eisenstangen ergriffen und führte nun mit ihr einen schrecklichen Schlag nach seinem Sohne.
    Jean Louis wich behende dem Streich aus, aber schon sah er seinen Vater zu einem zweiten ausholen.
    »Fliehe, fliehe!« rief Helene ihm zu.
    Und in der Tat konnte Jean Louis nur noch in der Flucht seine Rettung finden.
    Er machte schnell einen Sprung nach der Tür zu, welche auf die Straße führte. Aber schneller als er hatte Frau Verdier in ihrem schrecklichen Verlangen nach einem blutigen Ausgange dieser Szene sich an diesen Punkt begeben und verwehrte ihm nun entschlossen den Ausgang.
    Gegen sie, die sich ebenfalls bewaffnet hatte, kämpfen, hieß seinem Vater Gelegenheit zum Schlagen geben, und nur mit größter Mühe wich er dem zweiten Streiche aus, den der Greis schon in halber Raserei nach ihm getan hatte.
    Den Augenblick, wo der Hufschmied seine Eisenstange eben wieder aufhob, benutzend, flüchtete sich Jean Louis schnell in das Zimmer des Alten und von da in die Werkstatt, aus welcher er auf die Straße entwischen zu können hoffte.
    Jean Louis hörte seinen Vater, der ihm auf den Fersen war, und die Stimme Helenens, welche um Hilfe rief. Die Tür der Werkstatt war fest verschlossen.
    Schon hatte Jean Louis den Schlüssel umgedreht und zog am Riegel, schon bemerkte der Flüchtling eine kleine Öffnung oben an der Tür und sah durch sie einen

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