Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
Vom Netzwerk:
schwachen Schein des anbrechenden Tages, als eine schwere Eisenmasse donnernd über seinem Haupte dahinfuhr und, einen der Türbalken treffend, große Splitter herumfliegen ließ.
    Der alte Louschart war es, der seine Eisenstange niedergelegt und nun, mit einem furchtbaren Hammer bewaffnet, diesen entsetzlichen Streich gefühlt hatte.
    Die Verwirrung oder besser Verrücktheit des Greises hatte einzig und allein noch zum dritten Male das Leben des jungen Mannes retten können.
    Er wollte sich aus dem Bereiche des schweren Hammers flüchten, aber eine Hand, welche ihn wie eine Zange packte, zog ihn heftig am Arme zurück.
    Jean Louis begriff jetzt, daß er verloren wäre und sein Leben nicht mehr retten könnte, wenn er sich nicht einem Kampfe unterzöge, den er bisher schaudernd vermieden hatte. Er hielt die Hand seines Vaters in dem Augenblick zurück, wo sie zum vierten Male die mörderische Waffe über seinem Haupte schwang, und suchte sich des Hammers zu bemächtigen.
    Aber der Hufschmied besaß noch außergewöhnliche Kraft, und die blinde Raserei, welche ihn ergriffen hatte, verdoppelte seine Gewalt: er hielt fest. Um neuen Angriffen zu begegnen, mußte Jean Louis sich mit der ganzen Schwere seines Körpers auf den Vater werfen.
    Vater und Sohn rangen eine Sekunde lang miteinander; der eine, um seinen Gegner niederzuwerfen und um so sicherer zu töten; der andere, um sein Leben zu retten.
    Endlich begannen die Knie des alten Louschart zu wanken, die bisherige Kraft verließ ihn, und der Vater stürzte rückwärts nieder, seinen Sohn mit sich ziehend.
    Erst während des Falles hatte seine Faust sich geöffnet und Jean Louis sich des Hammers bemächtigen können. Er riß sich aus den Armen seines Vaters los, welcher ihn mit blinder Wut festhielt, erhob sich und stürzte hinaus.
    Als er auf der Türschwelle stand, warf er unwillkürlich den schweren Eisenklumpen, den er noch in der Hand hielt, in das Zimmer zurück und flüchtete, von einem unnennbaren Grauen ergriffen.
    In der Eile, mit welcher der Sohn das väterliche Haus verließ, in der Verwirrung seines Geistes hörte er nicht den Aufschrei, welcher in der Werkstatt in dem Augenblicke ertönte, da er den Hammer hineinwarf.
    Diesen Schrei hatte Meister Mathurin ausgestoßen und damit zugleich seinen Geist aufgegeben. Der schwere Eisenhammer hatte ihn gerade über dem rechten Auge getroffen und dem alten Manne den Kopf zerschmettert.
Das Autodafé
Die Menge.
    Jean Louis wurde in Sèvres durch reitende Polizei überrascht, verhaftet und inmitten eines immer mehr wachsenden Menschenhaufens, der ihm unter Flüchen folgte, nach Versailles zurückgeführt.
    Als man sich seiner bemächtigte, hatte er große Verwunderung darüber an den Tag gelegt. Erst diejenigen, welche ihn geleiteten, erzählten ihm den Mord seines Vaters und die Anklage, welche sein Haupt mit dem Verbrechen belastete. Der erste Schrei des jungen Louschart war ein Schmerzensruf. Die Trauerbotschaft beschäftigte seinen Geist so vollständig, daß er auf weiter nichts acht hatte, nicht einmal auf den Verdacht, der ihn schon in aller Munde als Mörder seines Vaters bezeichnete. Aber bald wurde ihm das Wort: Vatermord in seiner ganzen furchtbaren Bedeutung klar. Er begriff, welcher Schandtat man ihn beschuldigte, und rief mit lebhaftem Unwillen aus:
    »Kann man denn wohl seinen Vater töten?«
    So oft er den gräßlichen Vorwurf hörte, legte er immer dagegen einen entschiedenen Widerspruch ein.
    Man brachte ihn zuerst in das Gefängnis von Versailles. Erst am Abend schleppte man den vermeintlichen Mörder aus seiner Zelle und ließ ihn einen Wagen besteigen. Jean Louis war so trostlos, daß er nicht fragte, wohin man ihn führte. Als der Wagen in der Rue de Montreuil hielt, folgte er maschinenmäßig der Gerichtsperson, welche ihn begleitete, und schien nicht einmal das Haus wiederzuerkennen, in welches diese ihn eintreten ließ.
    Plötzlich befand er sich in einem Zimmer zusammen mit einer auf dem Bett ausgestreckten Leiche, in der er seinen Vater wiedererkannte. Ohne auf die Fragen zu hören, die der Gerichtsbeamte an ihn richtete, warf sich Jean Louis über den Leichnam, schloß ihn in seine Arme und bedeckte das bleiche und blutige Antlitz des alten Hufschmieds mit Küssen und Tränen.
    Als man ihn fragte, ob er den Toten kenne, antwortete er mit Sanftmut:
    »Wie können Sie daran zweifeln, mein Herr? Und was meinen angeblichen Mord betrifft, so bitte ich Sie, zu bedenken: würde ich wohl diesen

Weitere Kostenlose Bücher