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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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mehr gern zu besinnen schien, glich allzusehr einem Tadel, um den Unwillen der Witwe nicht noch zu steigern.
    Bis dahin war die Mutter Helenens nur hart und streng gewesen, jetzt wurde sie angesichts einer schwachen und verwundbaren Stelle des jungen Mannes unverschämt. Sie befahl ihm, ihre Wohnung zu verlassen, und drohte ihm mit seinem Vater, wenn er es wage, jemals wieder einen Fuß über ihre Schwelle zu setzen.
    Einige Tage nach dem erzählten Auftritt vertraute die alte Magd Jean Louis an, daß Kusine Verdier in dem Hause eine Rolle spiele, über die sich jedermann wundere und welche sie selbst beunruhige. Bald war die Ursache dieses Einflusses für niemand mehr ein Geheimnis, und nach dem umlaufenden Gerücht hieß es, daß der alte Hufschmied Mathurin Louschart die Tochter der armen Witwe, welche er bei sich aufgenommen habe, heiraten werde.
    Als Jean Louis dies hörte, war es ihm, als wenn ihn jemand in das Gesicht geschlagen hätte. Sein Schmerz war so heftig, daß er zuerst kein Mittel fand, ihn zu offenbaren.
    Als er am folgenden Tage in das Kontor hinabkam, fiel dem Leinwandhändler die Verzweiflung in dem Gesicht Louis', die Verstörung, welche sich in den Zügen des jungen Mannes ausprägte, auf, und er fragte ihn nach dem Grunde dieser plötzlichen Veränderung.
    Anfänglich konnte Jean Louis nur mit Tränen antworten; als aber Herr Lecointre, hierdurch neugierig gemacht, ihn seiner Schwäche wegen verspottete, gewann es der junge Mann endlich über sich, seinem freundlichen Prinzipal das zu erzählen, was ich vorhin berichtet habe.
    Lecomtre war durch die Erzählung seines Schützlings gerührt und sein Auge naß geworden. Mitleidig versuchte er den Unglücklichen zu trösten und ließ sich dabei natürlich nicht die Gelegenheit entgehen, gegen alle Gattungen der Tyrannei loszudonnern. In einer Art und Weise, die keine Erwiderung zuließ, erklärte er dem jungen Manne, daß diese Tränen nicht die Sache eines Patrioten wären. Bei den bevorstehenden Zeitereignissen müsse sich jeder Mann von Geist und Herz glücklich schätzen, dem Vaterlande einen freien Arm anbieten zu können. Übrigens wäre ja auch das Mädchen, welches er so schmerzlich vermißte, schon deswegen, daß sie den Vater dem Sohne vorzöge, seiner Liebe unwürdig, und um ihn den schädlichen Einwirkungen einer täglich mit neuer Stärke erwachenden Leidenschaft zu entziehen, wolle er ihn gleich am anderen Tage auf einige Monate nach Flandern schicken, um daselbst für das Haus Einkäufe zu machen.
    Um die Wahrheit zu gestehen, so fand Jean Louis das Heilmittel schlimmer als das Übel, und die Aussicht auf die baldige Abreise flößte ihm einen derartigen Schrecken ein, daß er es ganz vergaß, seinem Prinzipal für die ihm erwiesene Aufmerksamkeit Dank abzustatten.
    Gegen neun Uhr abends verließ er das Kontor des Herrn Lecointre, der ihm noch die letzten Verhaltungsbefehle gegeben hatte. Aber er blieb nicht zu Hause.
    Etwa um zehn Uhr sah ihn ein alter Arbeiter seines Vaters, namens Perlet, auf dem Nachhausewege, wie er hinter dem Schirmdach der Bude einer Fruchthändlerin stand und das gegenüber gelegene Haus des alten Hufschmieds fortwährend aufmerksam betrachtete.
    In dem väterlichen Hause schien schon alles zu schlummern; die geschlossenen Fenster hoben sich, schwarz wie sie waren, kaum von der dunklen Fassade ab, und kein Lichtschimmer bezeichnete dem Jüngling das geringste Leben.
    Jean Louis blieb, in seine Betrachtungen versunken, bis lange nach Mitternacht stehen.
    Um vier Uhr morgens dachte er endlich daran, daß es Zeit sei, nach Hause zurückzukehren.
    In dem Augenblick, wo er in die Rue de l'Orangerie einbog, sah er im Schatten die Gestalt eines weiblichen Wesens, welches an den Eckstein gelehnt stand, der gerade an der Verbindung der genannten Straße mit der Rue Satory aufgestellt war. Bei der Annäherung Jean Louis' erhob sich die Person. Einen Augenblick schien sie unschlüssig zu sein, dann eilte sie dem Kommenden entgegen und forderte ihn auf, sie zu begleiten.
    Jean Louis hatte schon Helene erkannt.
    In einer Bewegung, die er nicht bemeistern konnte, umfing er sie mit seinen Armen und preßte sie ans Herz. Aber gleichzeitig fiel ihm ein, daß die Wahl seines Vaters dieses junge Mädchen für ihn unverletzlich mache, deshalb stieß er sie fast ebenso schnell, wie er sie umarmt, zurück und fragte, was sie zu so vorgerückter Nachtzeit noch außerhalb ihrer Wohnung auf der Straße mache.
    Helene zitterte und

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