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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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Körper, wenn ich ihn selbst getötet hätte, in diesem Augenblicke zu umarmen wagen?«
    Aber die Aussage der Frau Verdier war so klar und bestimmt, daß das Gericht in der Antwort Jean Louis' nur die niederträchtigste Heuchelei eines ganz ausgefeimten Bösewichts erblicken konnte.
    Der Prozeß wurde dem Châtelet übergeben, und dieses ging nun mit vollem Eifer ans Werk.
    In der öffentlichen Meinung war unterdessen eine allgemeine Änderung eingetreten.
    Der große, von jedem gehegte Abscheu gegen den vermeintlichen Mörder und die gewaltige Erregung, die der plötzliche und gewaltsame Tod des Meisters Mathurin Louschart hervorgebracht hatte, wurden durch Nachdenken über die Sachlage vermindert. Diejenigen, welche von vornherein Jean Louis verdammt hatten, bemitleideten ihn nun, nachdem sie die Vorgänge in jener verhängnisvollen Nacht näher in Erfahrung gebracht.
    Zur selben Zeit blieben die Freunde Jean Louis' nicht untätig. Sie stellten ihn als das Opfer der Tyrannei des Greises dar, sie gingen auf die frühere Zeit zurück und erwähnten, mit welcher Geduld und Sanftmut der junge Louschart die ungerechtesten Anfeindungen seines Vaters ertragen hatte. Sie beriefen sich auf die zahllosen Opfer ihres Freundes und auf alle jene Einzelheiten, die dem Hufschmied zum Vorwand gegen seinen Sohn gedient hatten, und zwar taten sie dies alles, um das Mitgefühl des Volkes für den Angeklagten wachzurufen. Es glückte ihnen so vortrefflich, daß diese ganze Kriminalsache mehr das Ansehen und den Umfang eines politischen Prozesses für die Bewohner von Versailles annahm.
    Indes, wie Jean Louis vorhergesagt, verteidigte er sich nicht, und ungeachtet der verschiedenen gerichtlichen Wege, die man ihm einzuschlagen geraten und an die Hand gegeben hatte, wollte er gegen das Zeugnis der Frau Verdier nicht ankämpfen.
    Angesichts dieser stillschweigenden Zugeständnisse ließ der Gerichtshof die Strenge des Gesetzes in seiner ganzen Kraft obwalten.
    Der gerichtliche Erlaß vom 31. Juli 1788 verurteilte Jean Louis Louschart an Armen, Beinen, Schenkeln und Rückgrat auf einem Schafott lebendig gerädert zu werden, welches zu diesem Zweck in Versailles auf dem Platze, wo das Verbrechen begangen worden war, aufgerichtet werden sollte. Darnach sollte der Körper, das Angesicht zum Himmel gerichtet, bis zum Tode aufs Rad geflochten und hernach auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden. Schließlich hatten die Richter ihrem Erlaß ein Retentum hinzugefügt, welches folgenden Inhalt hatte:
    »Das Gericht hat sich vorbehalten, daß der in Rede stehende Jean Louis Louschart nicht einen Schlag lebend bekommen und daß er, bevor das Rad zum erstenmal seine Glieder berührt, insgeheim vorher erdrosselt werden soll.«
    Aber dem Volke blieb diese menschliche Verordnung der Richter unbekannt, und die Nachricht von der Verurteilung des jungen Louschart, auf dessen Unschuld jetzt ein jeder schwur, erregte in der Stadt den lebhaftesten Unwillen, ja man könnte sagen, mehr als das.
    Die Vollstreckung des Urteils über Jean Louis wurde auf den 3. August festgesetzt.
    Jean Louis Louschart war in einer der Zellen zu ebener Erde eingesperrt worden. Eben lag er noch in tiefem Schlummer auf seiner Matratze. Bei dem Geräusch, welches die vom Gefängniswärter weggezogenen Riegel verursachten, richtete er sich von seinem Lager auf und betrachtete ruhig die in seine Zelle Eintretenden.
    Ein Gerichtsbeamter las ihm das Urteil vor, und er hörte es mit großer Aufmerksamkeit an. Als die Vorlesung zu Ende war, murmelte der junge Louschart einige unverständliche Worte vor sich hin, unter denen man nur die beiden verstehen konnte:
    »Armer Vater!«
    Dann fügte er ganz laut hinzu:
    »In zwei Stunden werde ich mich vor ihm rechtfertigen; aber nein,« unterbrach er sich selbst leiser und mit vor Erregung zitterndem Tone und wandte sich dabei an den eben eintretenden Geistlichen der Kirche St. Louis, »er hat nicht glauben können, daß sein Sohn ihn mit Wissen und Willen tötete. Ist es nicht so, mein Herr?«
    Der Priester näherte sich ihm und umarmte ihn. Die Gerichtsdiener zogen sich zurück und ließen die beiden allein.
    Ein Befehl der gerichtlichen Kommissarien unterbrach die fromme Unterredung.
    Charles Henri Sanson steckte seinen Kopf durch die Öffnung über der Tür und gab dem Verurteilten ein Zeichen, welcher eben vor dem Priester kniete und die Absolution empfing.
    Jean Louis Louschart bemerkte dieses stumme Zeichen und sagte, sich zu dem Henker

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