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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Stück DIE INSEL von Athol Fugard, den ich ja sehr schätze – als Einstimmung auf die Südafrikareise (vor der ich mich AUCH nur graule und auf die ich mich kein bißchen freue) … hervorragend gespielt von zwei prachtvollen jungen (gelegentlich nackten!) Laienschauspielern.
    20. Februar
    Gestern ein so munterer wie leerer Abend bei Antje Ellermann, der nur in der Beschreibung «Wirklichkeit» kriegt, in der wirklichen Wirklichkeit schal war. Geladen waren Gaus und Frau, Rechtsanwalt Senfft und Frau, der Zauberer und ich. Bevor die anderen kamen, erzählte sie von Augsteins «Erstaunen», daß Senfft seine «Prozesse» persönlich nähme (es gibt da wohl irgendwelche juristischen Streitereien zwischen SPIEGEL und den von Senfft vertretenen Kant und Gysi). Auch Antje fand, das sei doch «normal» – Prozesse gegeneinander seien eine und privat-freundschaftliche Beziehungen, davon unberührt, eine andere Sache. Eine völlige Verkehrung der Wertigkeiten: Es ziert doch den Anwalt Senfft geradezu, daß er sein Mandat «persönlich» nimmt (selbst wenn man die Herren, die er vertritt, nicht mag).
    Ihre Wohnung besteht aus EINEM Zimmer, man ißt praktisch neben dem Bett, genauer: zwischen Bett und Küche, an einem ungedeckten und ungehobelten Tisch mit wackligen Sperrmüllmöbeln. Würde man das studentisch nennen, wäre es noch geprahlt – und siehe, die Leute fühlten sich pudelwohl, riefen alle: «Wie hübsch!» und «Wie wohnlich!»
    Gefaßt war ich auf einen kontroversen Abend, Streit mit Gaus und Senfft, für die ich ja «nach rechts» abrutsche und die die DDR verklären respektive verteidigen; überhöht gesprochen auch den Anspruch des Menschen auf «Idole» und Utopie.
    Nichts davon geschah. Kaum waren die Kaliningrader Klopse verschlungen, begann Antjes Lover, der Zauberer, zu zaubern. Das war unglaublich verblüffend, man kam aus dem Kinderstaunen garnicht heraus – und es ließ mich doch gelangweilt. Ich bin für derlei Barock-Verlustierungen nicht gebaut, hätte lieber ein GESPRÄCH gehabt als Kartenkunststückchen, veschwundene Geldscheine und derlei Verblüffungshumbug.
    28. Februar
    Morgen Aufbruch nach Süd-Afrika – und wieder: Ob Gerd mit seiner bremsenden Furcht vor zu spektakulären Abenteuern nicht recht hat?
    Wie ein Menetekel Ledigs Tod (in Delhi, by all means …): Er ist der Mensch, durch den ich nach Hamburg geriet und der mein Leben wie wenige andere prägte – bis hin zu Läppischkeiten: Wenn ich heute bei Ladage + Oelke oder im Vier Jahreszeiten wie ein Fürst bedient werde – auch das habe ich ihm zu verdanken. Aber viel, viel mehr meine ganze Internationalität, meinen beruflichen Aufstieg, meinen «Ruhm» – alles fing mit ihm an und hängt mit ihm zusammen; selbst die ZEITjahre – vom Baldwin-Interview zum übermorgigen mit Nadine Gordimer (die ich ja durch Weidenfeld kenne und den wieder durch Ledig) –: tiefe Spuren.
    Im Persönlichen ohnehin, er hat mich beeindruckt, amüsiert und verletzt. Ich habe ihn geliebt, dennoch.
    Wäre ja zu seltsam, stürbe ich jetzt kurz «hinterher» – dann machte (äffte) ich ihn noch einmal nach …
    Hotel Johannesburg Sun, Südafrika, den 1. März
    Der Kindertraum Afrika ist Fratze: beim ersten kleinen Spaziergang, ein paar 100 m vom Hotel, der erste Überfall (konnte weglaufen) mit geübtem Griff nach Uhr und Gesäßtasche. Schockiert. Konsequenz: Man kann auch am Tage das Hotel nicht verlassen, außer per Taxi.
    Wie lebt man hier bloß in diesem Ozean aggressiver Schwarzer? Unlösbar wie das Israel-Problem.
    Da fliegt man bei Tschaikowsky-Klavier-Konzert, Champagner und Räucherlachs um die halbe Welt (eine surreale Absurdität in sich) – um in ein Meer von Haien zu tauchen. Ich verstehe den Haß der Armen – aber lebbar ist das nicht. Konsequenz: Schluß mit diesen Abenteuer-Reisen.
    Die eine kleine «Flucht» zum angeblich berühmten Carlton Tower, mit 50 Stockwerken Afrikas höchstes Gebäude, eine banale Lächerlichkeit: ein mieser Coffee-Shop, wo ein paar Neger ihre Kinder wippen oder an Video-Spielen fummeln (im Panorama-Restaurant) lassen. Ausblick auf eine Pittsburgh-Steinwüste, billig, grau, ohne Charme oder Architektur.
    Dazwischen die grinsenden Relikte europäischer Zivilisation – Benetton, Yves Saint Laurent und Doppelstock-Busse (von Mercedes!). Dabei das Angebot von vergammeltem Obst, Blumenstrünken und altem Weißkohl 200 % unter dem am Eppendorfer Baum …
    Hotel Johannesburg Sun, Südafrika, den 3. März
    Gestern

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