Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
Vom Netzwerk:
Bett – ich war eigentlich überhaupt nicht in Berlin.
    Brown’s Hotel, London, den 18. Juli
    Am besten wäre ein Tagebuch (aber wozu überhaupt ein Tagebuch?), das ausschließlich NOTIERT:
    George Weidenfeld heiratete die Dame, die – 46 Jahre jünger als er – den alten sterbenden Arthur Rubinstein zu Tode gepflegt und beerbt hat; Weidenfeld – der noch nie eine nichtreiche Frau auch nur GESEHEN, geschweige denn berührt hat – sagt sehr nüchtern zur Begründung: «Da kann sie mich doch auch pflegen, wenn ich demnächst im Rollstuhl sitze.» The wedding-cocktail fand in der gemieteten (!) Royal Portrait Gallery statt, die Flitterwochen verbringt man auf der Yacht von Ann Getty. Die Yacht ankert in Barcelona, wohin man mit dem Privat-Jet von Mrs. Getty düst: «Die Leute sollen nicht denken, man sei verkracht.»
    Von Lettau kommt 2 Monate nach dem Fest ein kleiner Dank für den Sahl-Abend: «In der Annahme, daß Sie in den Sommermonaten Urlaub machen» und mit der Mitteilung, daß «das Material» – für eines seiner dünnen Prosa-Textchen – «schwer zu bearbeiten» sei. Ich bearbeite natürlich keinerlei Material, der Sekt kommt bei mir aus dem Wasserhahn. Er arbeitet auf der Basis vom 3. Stipendium, einer US-Dollar-Pension und praktisch mit freiem Wohnen.
    Derweil ich, ausgerechnet ICH, den Verlag Volk und Welt «rette». (Natürlich nicht ich alleine – andere haben auch geschrieben, protestiert, telefoniert.) Aber ich am energischsten, und meine Interventionen, ob qua ZEITartikel, Faxe an die Treuhand oder Telefonate wie Besprechungen mit dem Käufer-Bübchen, haben wohl den Ausschlag gegeben: Der Kauf wurde rückgängig gemacht. Das begann mit einem Besuch in «meinem» Zimmer neulich dort.
    Kersten schickt mir weitere Tagebuchteile von Hubert Fichte, in denen ich beneidet-bevoyeurt-gehaßt-schwanzbemessen vorkomme. Frei nach Hochhuth: Hüte dich vor dem Menschen, der dir was zu verdanken hat. Wie ich mich doch in Menschen immer wieder irre.
    Hochhuth, unberührt von den Verrissen des neuen Stücks, bevor es überhaupt da und fertig ist, sitzt in Ostberlin mit seiner neuen Hünenfrau in einem Café und läßt sich wie ein Star «umwerben» von 8.klassigen Boulevard- bzw. Tourneetheatermachern, die Handbewegungen wie Friseure und Augenaufschläge wie Schmierenschauspieler haben, dabei – in Worten, möglichst übrigens englisch – mit Millionen um sich werfen; ihm allerdings ernsthaft das Angebot fürs Drehbuch eines Hitlerfilms machen (für 100.000 Mark Vorschuß!!), weil «Dustin» so gerne den Hitler spielen möchte. Man ist ja mit Dustin Hoffman per du.
    Zugleich akzeptiert Hochhuth klaglos, daß sein Artikel über den Volk-und-Welt-Skandal in der WELT nicht gedruckt wird (deren fester Mitarbeiter er ja ist). Er akzeptiert also genau das, was wir alle den Ossis vorwerfen, daß SIE es Jahrzehnte akzeptiert haben: das Nicht-Drucken eines Buches, Gedichtes, Artikels, das Nicht-Aufführen eines Stücks. Nur war das dort und damals mit Risiken verbunden – hier allenfalls mit dem, daß Hochhuth seinen Job bei der WELT verliert …
    25. Juli Die Monologisierung unserer Gesellschaft oder Die Ferne der Intellektuellen untereinander
    Am Mittwoch zum Abendessen. Grass, der mir vor Jahren geradezu beschwörend riet, die Zeitungsarbeit sein zu lassen und mich sogar aus dem Kompromiß mit dem «festen freien Mitarbeitervertrag» herausreden wollte – BESCHWOR mich nun: Ich hätte doch zu Bissingers neuer Zeitung gehen oder mir, wenn das schon nicht, einen gänzlich anderen Vertrag bei der ZEIT heraushandeln sollen. «Mehr im Zentrum der Macht, stellvertretender Chefredakteur oder so was, jedenfalls Mitbestimmung bei der Linie des Blattes und viel mehr Geld.» Genau alles, was ich NICHT wollte, nicht will: weder Macht noch Mitbestimmung. «Ich mache mir Sorgen um deine Gesundheit, wenn du hier nur sitzt und Essays schreibst» (Romane DARF ich ja nicht schreiben, schreibe ich sozusagen auch nicht. Ist Grass besorgt um SEINE Idee von einem Freund, nicht um den Freund wirklich?).
    Er ist nach der anfänglichen Gekränktheit über die negativen Kritiken auch wieder ganz der alte, selbstbewußte, sich seines Werts bewußte und kraftvoll-unirritierte Grass. Wobei ich dieses Mal doch sehr anderer Meinung bin – ich halte UNKENRUFE für ein regelrecht schlechtes, uninteressantes, in der Story mageres und verblüffenderweise auch stilistisch schwaches Buch: «Der körperliche Überschwang der Witwe mag den Witwer

Weitere Kostenlose Bücher