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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Kränkung sprechen, die man ihm (mit den negativen Kritiken zu UNKENRUFE) zugefügt hatte – die Welt bestand ausschließlich aus Grass-Verfolgern.
    Hotel Duna, Budapest, den 16. Mai
    Gisela Elsner hat sich umgebracht. Ihr konsequentes Kunst-Stück. Ich hatte doch «ernsthafte» Autoren – Konrad Bayer, Fichte, die Elsner. Bürger, Kleinbürger waren das nicht. (Eher «meine» Autoren Hochhuth und Kempowski.) Mein Adreßbuch wird immer leerer; demnächst ja gewiß Anders, Cioran …
    24. Mai
    Nach-Party-Cafard. Das war’s nun also, mein «großes Fest» für Hans Sahl: äußerlich wunderbar gelungen, strahlendes Wetter, herrlich geschmückte Wohnung, köstliches Essen, man konnte in verschiedenen «Lauben» im Garten sitzen, auch unten am Wasser, Fackeln flackerten überall, und – lustige Pointe – nachts wetterleuchtete das Riesenfeuerwerk der Japaner, das man herrlich von der Terrasse und vom Garten sehen konnte. Dazu, wie Technik-Hochstapler Grossner sagte, «handverlesene Gäste».
    ABER: Eigentlich habe ich nur Neid erregt, manche wie Gaus sagten das unverblümt, anderen sah man’s an, wieder andere erzählten es «Freunden»: «Woher hat er das alles?» (als hätte ich es geklaut …). Obwohl wiederum die meisten garnicht wissen, daß dies ein Dix und jenes ein Schad ist, Angelika Thomas – als Gerd sagte, hoffentlich fällt diese Picasso-Vase nicht um – in aller Unschuld: «Ach, hat Picasso auch Vasen gemacht?» UND: Jeder wollte und konnte NUR von sich reden bzw. schlecht über die anderen. Ab einem bestimmten Alter darf man offenbar sagen, was man will – es gibt immer Applaus, auch und gerade bei jungen Leuten. Das ist der Großvater-Bonus (während die Väter – also ich – geschlachtet werden).
    (Selbst ein Bedanke-mich-Anruf von Sahl war eher Beschwerde, man habe nicht wahrgenommen, daß es sich um einen Abend FÜR IHN gehandelt habe – nicht alle hätten ihn begrüßt; dabei war er ständig umlagert, und ich vernahm wie plätscherndes Wasser im Vorübergehen immer dieselben Anekdoten: «Da sagte ich zu Brecht …» und «Als Anna Seghers zu Kisch …»)
    Es war gewiß meine letzte «große Einladung», das hat, mal abgesehen von den zu hohen Kosten, eigentlich keinen Sinn. Warum muß ich mir hinterher anhören, daß Lettau die Blumen im Garten zu farbig/bunt fand, er liebe nur Grau (wo gibt es graue Blumen?), wozu ein anderer bissiger Gast immerhin sagte: «Schreiben Sie auch so?»
    Kampen, den 1. Juni
    Die düster-geheimnisvolle Lektüre von Virginia Woolf (und ihrer makaberen Biographie, ständig am Rande des Wahnsinns). Fast hole ich diese seelische Spitzenklöppelei, diesen Irrsinn unterhalb der viktorianischen Geborgenheit, auf verquere Weise nach. Ich könnte ununterbrochen Sätze anstreichen: «Wie alle Gefühle, die ein anderer Mensch für einen hegte, … so stimmte auch dies eine traurig.» (Leuchtturm)
    Kampen, den 10. Juni
    Der schönste Nord-Sommer (Frühsommer) seit Jahren. Seit meinem Gartenfest ununterbrochen strahlende Sonne, hier kühl gefächelte Sommertemperatur mit unglaublichen Nächten (zunehmender Mond) – und ich sinniere schwarz vor mich hin.
    Mißtrauisch, ob dieser Virginia-Woolf-Essay nicht letztlich nur eine zusammengeschriebene Kurzfassung aus ihren Büchern respektive denen über sie. Bin ich ein Papierverschlinger bzw. -komprimator? Warum soll man eigentlich FJR ÜBER Virginia Woolf lesen statt sie selber?
    Kampen, den 13./14. Juni
    Besuch der alten Dame (Pfaffenwitwe aus München). Ankunft nach 12 Stunden Bahnfahrt, ohne ein Zeichen von Müdigkeit, keß sitzendes Toupet wie ein fesches Hüt’chen. Von der Waggontür an ein Sturzbach beginnend: «2. Klasse ja unmöglich, bin in Augsburg in die 1. umgestiegen, schönes Wetter hier, bei uns hat’s ja geregnet, nettes Auto hast du (zu dem feinen Jaguar!), aber bißchen unbequem, schöne Grüße von Gaby (Tochter aus Amerika), sie wird nachher anrufen. Und was machen wir heute abend, zuerst will ich mal ans Meer.»
    Ich war schon bei der Ankunft im Hause einer Ohnmacht nahe. «Na, jetzt wollen wir erst mal alles besichtigen – ach, Fritz, was bist du doch reich geworden, ach, ne Dusche hast du auch, ich liebe duschen, und wo schlafe ich, schönes Bild, ist das Wunderlich (es war ein Foto), und das Foto von deiner Schwester auf dem Schreibtisch ist auch sehr schön, sie ist also wieder blond (es war ein Foto von Gabriele Henkel), ja, ein Glas Champagner trinke ich noch, aber dann Schluß – na, noch ein

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