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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Suhrkamp und HoCa und S. Fischer einholte; ich will und sollte ihm das nicht vergessen.)
    Der 2. Abend mit Brodkey auf der schönen Canale-Grande-Terrasse des Hotel Monaco (nur dort kann er noch hin, weil er mit dem Motorboot direkt anlegen kann, nicht laufen muß) war geradezu intim-schwärmerisch und sein «I’ll never forget you» nächsten Morgen am Telefon wohl nur mäßig übertrieben. Wunderbar sein: «I hate you – you are so young, intelligent, successful, in love.»
    Wie banal dagegen war Rom. Am ersten Abend mit der wie immer lieb-hilfreichen Inge Feltrinelli zu einer Super-Party bei reichen Reaktionären in palastartigen Räumen nahe dem Quirinal; das «Berlusconi ist fabelhaft»- und «Fini ist unerhört intelligent»-Gequatsche anödend, doch das ungeschriebene Gesetz «Man widerspricht als Gast bei Tische nicht» würgte mich, zumal meine Tischdame die Gattin des künftigen Außenministers war.
    Das Verhältnis zwischen Inge und ihrem Sohn Carlo scheint besonders kompliziert. Er schon im Taxi muffig: «Ich weiß nicht, ob das gutgeht – wir haben eigentlich eine Verabredung, nie auf dieselben Parties zu gehen.» Sie, eher kleinlaut (was ungewöhnlich bei der flott-schnellen Inge): «Ich laß dich ganz alleine.» Er herrscht sie an, und sie pariert. Er löscht ihren Pailletten-Charme, wie man eine Kerze auslöscht, und windet sich fast körperlich, wenn sie im Inge- speed sagt: «Der lügt, wenn ich den Mund aufmache», oder wenn sie «Die Leopardin» sagt, wenn sie eine Nichte des «Il Gattopardo»-Autors Lampedusa meint.
    15. Mai
    Um auch mal Positives zu notieren: Manchmal denkt man, es ginge einem ganz gut.
    Vorgestern besonders freundschaftlich-angenehmer Abend mit Wapnewski, der alt und bitter geworden ist, aber auch distanziert zu sich und der Welt, der meinen Caviar und Champagner genoß (den ich mir eigentlich nicht leisten kann) und mir rote Rosen mitbrachte: Von wem er die wohl hatte, denn gewiß waren sie doch nur «weitergereicht»?! Man schenkt doch einem Kollegen nicht rote Rosen …
    Leicht beunruhigend nur, daß wir mit keinem Wort über Literatur, auch nicht über die eigene, sprachen, nicht über Pläne, was er z. B. mit seinen Tagebüchern tun wird; derweil er allerdings, sich umblickend, fragte: «Wer erbt all das?» Zu viel Bordeaux.
    Gestern und heute gut gearbeitet, den Hans-Henny-Jahnn-Aufsatz für den MERIAN fertig, der mir sogar Spaß gemacht und der mich ein anderes Mal erinnert hat, was für eine grauenhafte Zeit die Adenauerzeit war (auch DAS muß man mitdenken, wenn man heute über die Ost-Künstler redet und darüber, wieso soviele in die DDR gingen; auch Jahnn, auch Arno Schmidt erwogen das – weil man dort Kultur ernst nahm: bis zum Verbot. Brecht bot dem hierzulande mißachteten, gedemütigten, armen und kranken Döblin – OBWOHL Katholik und Antikommunist – Villa, Auto, Personal und Pension an!).
    Gestern abend in der überraschend unentschiedenen, kontur- und bißlosen DREIGROSCHENOPER-Inscenierung der Thalbach (ging, sie zu vermeiden, aus der Premierenfeier rasch weg). 2 lustige Miszellen: Vorm Theater spricht mich ein kleiner Buchhalter-Typ an, den ich nicht sofort erkenne. Biermann. Dann lustig und wie in alten Zeiten (auch, wie er unter Kuratel einer jungen, offenbar frisch geheirateten, Frau steht, die ihn geradezu «rein-pfiff»). Und: in der Pause am Theaterrestaurant-Tisch gegenüber ein altes, müdes Ehepaar, das vergeblich wartet, bedient zu werden, bis er sich schleppend erhebt, 2 Tassen Kaffee vom Tresen zu holen, dann setzen sich – ohne zu fragen, ohne zu erkennen – 2 Burschen in Jeans mit ihren Biergläsern an denselben Tisch und schwätzen, lachen, ohne auf die beiden «Alten» Rücksicht zu nehmen: Es war Helmut Schmidt mit seiner Frau. Sic transit …
    28. Mai
    Eine Grotesk-Reise hinter mir – und groteske Tage, fast die ganze Woche:
    Gestern und vorgestern Stuttgart/Marbach: Das war also der 1. Abend, an dem sich wie selbstverständlich die beiden Herren Marbach-Direktoren VON MIR einladen ließen. Der Oberdirektor ein am Rande des Pampigen bossiger Mann, unintelligent und meines Erachtens auch ungebildet – ICH jedenfalls habe noch nie anderes als Stellenplan- und Stellenplanabbauprobleme aus seinem Munde vernommen. Der andere, Handschriftenabteilungsleiter, etwas verschmitzter, lustiger – er hat immerhin mit den diversen Witwen oder sonstigen Urheberrechtsinhabern zu tun, über die er z. T. die komischsten Geschichten erzählt, so

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