Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
GIs, 18 – 20jährige lebensfrohe Jünglinge, strotzend vor Kraft, vor Geilheit, siegessicher, wunderbar gepflegt und stolz, mit prallen Ärschen und fickrigen Schwänzen – jetzt ist der Jüngste 68, und der US-Präsident wurde in Italien (wo die Amis gelandet waren) von einer 73jährigen Greisin empfangen, einer ehemaligen Krankenschwester. Gräßlich.
So auch mit dem WÄHREND des Gesprächs gähnenden Amado, der sich Honig ums eigene Maul strich, keinem echten Argument gewachsen war, sondern es mit dem Weichzeichner «Ach, wenn Sie wüßten, wie es damals war» schönte. Das Schönste an dem Gespräch war der 1stündige Spaziergang von der Wohnung am QUAI CÉLESTINS durch die vom Regen frisch gewaschene Stadt, die Seine entlang im abendlichen Juni-Licht. Ein Genuß.
Ein höchst lebendiger letzter Abend dann allerdings thanks to Freund Valerio Adami, der mich mitnahm zu einem Essen bei Jane Kramer, der Europa-Korrespondentin des NEW YORKER – eine Art Susan Sontag der nächsten Generation, eine jener scharfzüngigen, neugierigen Ostküsten-Jüdinnen, mit denen ich mich so rasch so gut verstehe. So auch hier – und auch meine Eitelkeit kam zu ihrem Recht: Sie kannte mich genau, viele meiner Arbeiten, kannte von den kürzlichen Sachen den Kempowski-Artikel und die Brodkey-Rezension, ist also sehr «à jour» und wollte mich (wie ich sie) schon lange kennenlernen. Ein Abend des schnellen Kulturgeschwätzes bei mäßigem Essen und (zu) wenig Wein – zwischen Berlusconi, Allen Ginsberg und Thomas Mann –; aber sehr sympathisch.
Fühlte mich jedenfalls eher wohl als bei der Enzensberger-Premiere DELIRIUM den Tag vor meiner Abreise hier in Hamburg – ein eher fataler Theater-Abend, an dem der geniale Tabori aus einem Nichts ein Soufflé gezaubert hat, die tänzerische Vorführung von gelenkigen Gliederpuppen, genannt Schauspieler. Mindestens von Enzensberger ist es eine Frechheit – eine Anthologie von Gedichten von Brentano und Brecht, Harsdörffer und Becher, Morgenstern, Chlebnikow und, natürlich, Enzensberger, eine Perlenreihe ohne jeden roten Faden, bildungssatt und geradezu höhnisch unter dem Motto «Seht her, was ich alles gelesen habe» (die Kritik in der TAZ sprach zu Recht von einem umgekippten Bücherregal), kein Konzept, kein innerer Zusammenhang. Das war die Fortsetzung des Handke- und Peter-Brook-Kunstgewerbes, das ich neulich schon kopfschüttelnd sah. Derweil brennen Türken.
Noch ein PS zu Amado:
Nicht nur das Erloschene irritiert. Es/Er wirkt, als habe sich da nie jemand mit sich selber auseinandergesetzt, als habe er sich nie wirklich gefragt, was es heißt, so lange Kommunist gewesen zu sein – «ausgetreten kurz vor dem 20. Parteitag». Auf mein «War das nicht ein bißchen spät?», schließlich seien die Stalinschen Prozesse Mitte der 30er Jahre gelaufen, wovon er – lebend in einer informationsfreien Welt – doch gewußt haben müsse, kommt nur eine klägliche Logik-Schlaufe: «Erkenntnis ist ein Prozeß, der dauert.» Dauerte also 20 Jahre!?!
Er ist nicht nur ein Unterhaltungsschriftsteller (ich habe ja, leide, zur Vorbereitung allerlei von diesen «Kakao»-, «Jubiaba»-, «Herren des Strandes»- und «Gabriela»-Romanen gelesen, die nicht nur von einer schmackhaft gemachten Exotik leben und ein vorgeformtes Figurenensemble haben (Arbeiter: arm; Gutsherren: reich; Frauen – zum Ficken da), sondern festgefügte Handlungsabläufe variieren. Ihr Erfolg im Osten war gewiß, da man dort ja nie einen Neger gesehen, eine Rumbarassel gehört, Zimt geschmeckt hatte: Touropa in Buchform). Er ist auch, hockend in dieser abstoßend häßlichen Pariser Wohnung, ein eitler, alter Mann, unintelligent und der eigenen Vergangenheit gegenüber unaufrichtig. Er FRAGT sich nicht mal, ob man wirklich 1950 Stalin noch «einen Gott» nennen, als solchen empfinden konnte. Hat nicht das Format von Semprún, ist sich selber gegenüber wohlgefällig und schwärmt noch jetzt von «der Ungarin Anna Seghers», die er liebte und an die seine Frau – die schließlich eine Tasse Kaffee brachte – «jeden Tag denkt». Denkt sie auch an die Verräterin, die ihren Verleger Janka abholen ließ, schweigend?
Der heutige SPIEGEL wieder «le Comble» : JETZT schreiben sie – in Sachen war Ranicki ja oder nein Agent – von dem «ehemaligen Einbrecher Jens», der ja im Hause des toten Uwe Johnson eingebrochen sei, «um Intimes zu erschnüffeln». Das Schmutzblatt verschweigt indes, daß SIE es waren, die die
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