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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Beziehungslosigkeit der Menschen, die Unmöglichkeit von Liebe (wie ich sie, noch immer naiv?, verstehe) und der ständige Verrat. Ob ich bei Chéreaus Mozart saß oder im Café Tomasselli, ob ich eine blöde Ausstellung GERMAN ART sah (Beuys, Richter, Polke, Baselitz usw.), bei der mich nur EINMAL ein Stich traf, nämlich als ein Bild hieß: «Sag mir, ich liebe dich» – ich war tot, zerbrochen, leer. So hing ich der Grazie des Verrats nach.
    Damit verglichen der Klein-Verrat von der Mondänen geradezu niedlich und ohnehin nur zu belächeln: … zig Faxe «Wir müssen uns sehen», aber sie habe – nicht mal via SZ – keine Premierenkarten. Eine Stunde vor der Strawinsky-Premiere – ich gehe den Tisch für den nächsten Tag bestellen –: Wen treffe ich im GOLDENEN HIRSCH? Madame mit ihrem «Fant», wie Wapnewski den Lover nennt, wie immer ihre Suppe NICHT essend (Bernhardsche Frittatensuppe), aufgetakelt zur Premiere und – der höfliche G. bestellt ihr gerade einen Wein, nach exakt DREI Minuten (der Fant durfte nicht mal die eben angezündete Cigarette aufrauchen) «Ich muß gehen» verkündend, wir hatten KEIN EINZIGES Wort miteinander gesprochen, keine Pausen-Verabredung während der Premiere, zu der sie keine Karten hatte, keine Faxe tagelang. Dann aber MORGENS UM NEUN hektischer Anruf am Tage meiner Abreise, um mir die Ohren mit irgendeinem Personalproblem vollzupusten und daß Nicole Heesters sie «seit 6 Wochen belästige» (sie wird ja eingeladen sein). Verabredung zum «Trost-Telefonat» am selben Abend, wenn ich retour in Hamburg bin. Als ich, zuverlässig wie stets, anrufe, paßt es nicht: «Ich sitze gerade so gemütlich mit Nicole Heesters und Pit, wir lachen viel. Ich rufe morgen an.» Seitdem nichts mehr gehört. Wahrlich eine kleine Pirandello-Scene zum Thema Einsamkeit, Autismus, Maske. Schreiben müßte man können.
    Kampen, den 29. August
    Tagebucheintragung wie ein Endlos-PS: Bin seit 10. 8. hier, anfangs heftig gestört durch meinen ansonsten lieben und hilfreichen und sympathischen Neffen Peter aus USA, der aber nicht wissen kann, daß mich schon täglich gemeinsames Frühstück mit Geplauder aus der Balance bringt und mich auch ein «Entschuldige die Störung, aber wo kann ich Dollars wechseln?» völlig aus der Arbeitsbahn wirft.
    Ein Lichtblick der Besuch von Alexander Kluge, mit dem ich über das ZEIT-TV reden wollte – und dessen Brillanz, leichtfüßige Intellektualität und kenntnisreiche Vertracktheit mich geradezu entzückte. Mag sein: korrumpiert von seinem «Nur Sie und ich und vielleicht noch Enzensberger können das» – und dann sprühte er vor Ideen, und ich sprühte zurück, und wir entwarfen in 2 Stunden die herrlichsten Fernsehprogramme für die Nation und für 2 Jahre (die natürlich, da viel zu kompliziert, kein Mensch senden würde).
    Bedrückt dazwischen und immer wieder über das öffentliche Akzeptieren leichtgewichtiger Literatur-Ware, auch von Lettau, dessen neues 85-Seiten-«Opus» wahrlich nicht schlecht, auch fein-gesponnen geschrieben, aber doch nicht mehr als ein Salzburger Nockerl, eine hübsche, leicht kunstgewerbliche Arabeske. Das ist nun große Literatur, wird gerühmt und gepriesen im Sinne von Preisen, steht sofort auf der Bestenliste und wird sogar übrigens akzeptiert als Resultat JAHRELANGER Arbeit. 85 Seiten! (Derweil er – wovon nur – in Berlins Mommsenstraße eine 3000-Mark-Miete-Wohnung hat.) IHM verzeiht man das auch, daß er auf einem Podium als Diskussionsbeitrag sagt: «Da kann ich nur antworten: ‹Ja.›» EIN WORT. Dafür bekommt er gewiß auch noch Honorar.
    Aber man kann auch solche Dialoge hören. Lettau zu Jürgen Becker: «Ich stehe schon nach 1 Woche auf Platz 5 der Bestenliste.» Becker: «Das sagt garnichts, ich stand 3 Monate drauf – deswegen verkaufst du kein Buch mehr, und die Kritik nimmt es auch nicht wahr. Mein Buch wurde nicht mal in der ZEIT besprochen.» Mein Hieb gegen ihn: «Und mein freundschaftlicher Brief an Sie, Monate her, wurde nicht mal beantwortet.» Becker: «Ach, Docteur, seit Monaten liegt ein weißes Blatt Papier neben meinem Manuskript auf dem Schreibtisch – um Ihnen darauf zu antworten. Aber ich schreibe doch keine Briefe mehr.»
    Was ja, ins Brutal-Deutliche übersetzt, heißt: «Bitte schreiben Sie mir keine Briefe mehr, ich bin daran – und an Ihnen – nicht interessiert.»
    Kampen, den 8. September
    Vorgestern – nachdem er tags zuvor hier anrief – endloses Telefonat mit Brasch in San

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