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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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noch immer, je mehr und je berlinisch-schnoddriger sie lacht. Ein «Ditte Menschenkind» – verlassen von ihren reichen und berühmten Liebhabern, Augstein, der ihre Beziehung zu/mit Wunderlich schließlich gesprengt hat, hat nicht EINMAL angerufen, geschweige denn einen Scheck geschickt. Wunderlich weiß bisher ja nicht, daß sie stirbt – habe ihm heute nach langem Bedenken, ob ich da «eindringen» soll, geschrieben, heikle Sache. «Die Frau wird bald große Schmerzen haben», sagte mir ihr Arzt – verschlissene Puppen eines alten, vermotteten Puppentheaters.
    3. Dezember
    Gespenster-Sonate oder -Party bei Gisela Augstein; mehr Farce als Fest, in dem Stil, wie Hubert Fichte sie gerne beschrieben HÄTTE, aber leider nicht HAT (sondern durch sein plattnäsiges Durchs-Schaufenster-der-reichen-Leute-Blicken nur karikiert hat; dazu bräuchte es einen Balzac).
    Eine Lemuren-Versammlung von has-beens . Der alte humpelnde Herr Hegewisch protzte mit seinen «sehr hübschen 15 Picasso-Zeichnungen» und damit, daß er nun nicht nur Bilder, sondern auch «Wohnungen sammle»: «Besuchen Sie uns doch mal in Paris, das ist wirklich eine schöne Stadt.» Dafür begrüßte Augstein ihn mit: «Lebst du immer noch mit dem Pudding?» (womit seine Frau Erika gemeint ist). Früher hätte man sich daraufhin duelliert, zumindest dem anderen eine Ohrfeige gegeben.
    Aber der dicken, geradezu viereckig gewordenen Kröte Augstein, dem Krethi und Plethi beflissen nicht nur das Bier BRINGT, sondern auch die Flaschen öffnet, als könne er das nicht selber, erlaubt man alles – wegen reich und wegen Macht; selbst, wenn man UNMITTELBAR daran garnicht partizipiert. So benimmt er sich wie ein ungezogener kleiner König, der – «von gleich zu gleich» – dem Bundeskanzler zu seiner Meniskus-Operation 6 Flaschen CHIVAS REGAL schickt und den Bedanke-mich-Brief anmahnt: «Da habe ich ihr aber sofort geschrieben» – als dann ein Brief von Frau Kohl kam. Der Mann muß einen tiefen Minderwertigkeitskomplex haben, sonst würde er nicht unentwegt von berühmten Leuten sprechen, mit denen er gerade … oder die er demnächst … oder «die ich neulich erst» …, und wenn man das Bedeutungs- und name-dropping- Geschwafel unterbricht, stampft er wie ein Kind auf: «Ich will jetzt meine Geschichte zu Ende erzählen.» Nur, wenn man ihm mit dem Messer über die Zunge fährt, hält er die mal still.
    Er: «Eigentlich wollte ich Gisela (immerhin war das mal seine Frau, und er hat einen Sohn mit ihr) die Memoiren der jetzigen amerikanischen Botschafterin in Paris mitbringen, eine der größten Huren der Welt. Aber sie hätte das auf sich bezogen.»
    Ich: «Wir wollen hier nicht die Gastgeberin beleidigen.»
    Er: «Ich bin hier der Gastgeber» (womit er andeuten will, daß sie per Abfindung von IHM lebt).
    Ich: «Ach, deswegen gibt es den miesen Sekt statt Champagner.»
    Woraufhin er schwieg und Frau Dohnanyi entgeistert vom Sofa floh.
    Indes der Herr Funk, seines Zeichens herausgeworfener SPIEGEL-Chefredakteur und jetzt STERN-Chefredakteur, vor ihm Männchen machte (Augstein hatte ihn nackt im Bademantel in seinem Sylter Haus empfangen und in 30 Minuten gefeuert), sich schweigend sagen ließ: «Neulich habe ich das erste anständige Foto von dir gesehen» und floh, um zu sagen: «Nie hat mich ein Mensch so gekränkt wie Rudolf Augstein.»
    Hôtel Lutetia, Paris, den 12. Dezember
    Nun also mal wieder in «meinem» Paris. Ausgehungert von der Kulturprovinz Hamburg, die bestenfalls eine kleine Janssen-Ausstellung zustande bringt, sauste ich ins Grand Palais: Poussin, Caillebotte. Man darf es gewiß niemandem sagen: Caillebotte sprach mehr zu mir, Poussin ist doch oft arg zierlich, in den Motiven – eine weiße Taube in der Sonne – läppisch; nur in der peinture der Farbe genial. Was Caillebotte erzählt, geht mich mehr an.
    Hôtel Lutetia, Paris, den 15. Dezember
    Mein «Grundgesetz» des Ewig-beides-(alles-)Wollens: Männer und Frauen, links sein und elegant, Kritiker und Romancier, verhaßt und geliebt. Nun will ich nicht nur eine Wohnung im Süden, auch eine in Paris: Die Stadt, wie immer, elektrisiert (und ermüdet) mich; das herrliche Dezember-Sonnenlicht, der Mond über Saint-Sulpice, die Wunderwerke im Louvre des Antiquaires, die meine Begehrlichkeit ins Unermeßliche steigern; die Flimmergirlanden der weihnachtlich geschmückten Champs-Élysées; mein geliebter Blick vom Trocadéro-Palais Chaillot (wo leider auch Hitler stand), die mäßig

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