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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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verifizieren gewesen wären durch zwei Stadtgespräche. Das ist Journalismus unterhalb der Springer-Grenze. Ich weiß, daß ich mich im Blatt nicht dagegen wehren kann – aber es lag mir daran, daß SIE wenigstens wissen: Der ZEIT-Feuilletonchef ist weder Indiskretin noch Klatschkolumnist noch jemand, der quasi durch Skandalsucht Autoren in den Tod treibt.

    Herzlich
    Ihr
    Raddatz
    Donnerstag, Delvaux
    Zigmal umsteigen und SEHR unbequem schließlich doch in Brüssel angekommen. Es war bizarr: ein RÜHRENDER, halb blinder, halb tauber Mann, eine natürlich entsprechend jüngere, aber auch nicht mehr JUNGE Frau, hochtoupiert und im feinen Braunseidenen, ein rescher Neffe (resch ist jiddisch und heißt laut-energisch), der das alles in der Hand hat und sagt: «Paul, du mußt jetzt …», und dann erhebt sich der alte Mann und tut’s.
    ABER: ein Märchen-Museum, klein, übrigens PRIVAT von Delvaux als Stiftung aufgezogen, mit unentwegtem Besucherstrom, die Eintritt zahlen, Kataloge und Poster und Postkarten kaufen – und mit wundervollen Bildern, viele seiner berühmtesten hängen tatsächlich da, im ganzen vielleicht 30 – 40. Eine SEHR lohnende Reise. Auch wenn das Gespräch mit ihm eher wirr und wegweichend war wie die Stimme der BBC im Kriege im Volksempfänger.
    Abends habe ich mich daraufhin ganz alleene ins Maxim’s am schönen Platz gesetzt, von Kopf bis Fuß auf Aschenbach eingestellt, der soignierte Grauhaarige, ließ mir den besten Tisch am Erkerfenster geben, trank eine ganze Pulle Champagner nur für mich und bestellte mir feine Pasteten. Ich wollte das feiern – denn tatsächlich «empfängt» der Mann ja niemanden mehr; außer daß er in Hausschuhen durchs eigne Museum latscht und jedem, der’s will, eine Unterschrift «schenkt».
    Nextes Jahr hat Tucholsky 2 runde Gedenktage. Aus diesem Anlaß hatte ich dem ZEIT-Magazin vorgeschlagen, im Frühjahr 14 Tage auf seinen Spuren (er hat ein «Pyrenäen»-buch geschrieben) die Pyrenäen abzufahren und eine Art literarische Reportage zu schreiben. Wegen der langen «Vorlaufzeiten» muß ich im Herbst fahren, damit der Fotograf hinterher im Oktober noch das schöne Licht nutzen kann. En bref: fahre nun vom 26. August bis Mitte September mit Pörschlein und Gerd durchs Gebirg.
    8. August
    Montag abend aufs Mondänen-Schloß gerast, einerseits verrückt, für ein Abendessen nach Tirol, andrerseits sind’s auch nur 2 Stunden. Dort Kaiser, Enzensberger und Tankred Dorst, weswegen ich auch hinfuhr. Kaiser sehr nett, in vielem sind wir uns sehr ähnlich, nicht zuletzt in unserem Verhältnis zum Geld, wobei ich sicher bin, daß er mehr verdient (hat aber auch 2 Kinder). Sein Satz «In der 1. Generation wird eben nischt» ist nicht ganz falsch, ihm geht’s wie mir: Er verdient gut, aber es bleibt nichts. So war das Beste die Autofahrt mit ihm zum Schlöß’chen. Eine Tischdekoration, die die Dame des Hauses für «genial» hält und allen Ernstes fotografieren läßt wie ein Bühnenbild von Wonder, u. a. eine uralte Schreibmaschine, die eine Endlosschlaufe mit dem Aufdruck «mon œuvre» ausspie; im Grunde doch recht rokoko-frivol mit schließlich einigen Autoren am Tisch, hieß es doch, daß wir uns alle mit unserem An- und Ausspruch «mein Werk» lächerlich machen. Kaiser am nächsten Tag, herrlich, wie ein Tucholsky-Satz: «Na, die Krebse waren ja doch recht klein …»
    Enzensberger seltsam weich – ich halte das für eine Schutzhaltung. Im Grunde war er mir als Rasierklinge lieber – dies heißt doch im Grunde: Mir ist alles gleichgültig, ihr alle seid mir nicht mal mehr wichtig genug, um mich über euch zu erregen, euch zu hassen, euch zu attackieren. Mit dem Hausherrn hätte er früher kein Wort gesprochen, und die endlose Adenauer-Bewunderung und Anbetung der (scheußlichen) 50er Jahre hätte ihn schaudern gemacht, jetzt steckt er sich nur ein neues Cigarettchen an. Dorst bißchen grob-nichtssagend. Sicher ein guter Handwerker, sicher aber kein Dichter. Nett-bedeutungslos. Für nächsten Tag war schon die nächste Ladung Gäste im Anrollen, und eigentlich hat die Dame des Hauses in dem Moment, in dem die Gäste da sind und bei Tische sitzen, schon die Nase voll von ihnen und denkt an die nächsten. Die Blumenarrangements für nächsten Abend standen ungeniert bei unserer Abreise vor der Haustür. Schade um unsere einst so zart-liebevolle Freundschaft.
    Gestern abend bei Grass, in der soeben bezogenen Hamburg-Wohnung, in der er unglücklich wie ein

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