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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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offenkundig wurde, daß keiner es mehr persönlich nahm. Doch man mied ihn – ohne zu wissen, WAS ihn eigentlich zerstörte. Mich rief zum Beispiel Hannah Arendt einmal aus New York an, die wußte, wie gut ich ihn kannte, ganz alarmiert und fragend, ob ich ihn nicht beeinflussen und zu einem Arzt bringen könnte; das wäre im «Stern»-Jargon eine «Indiskretion».
    Trotzdem blieb ich in Kontakt. Er schrieb sogar für die ZEIT (obwohl er sonst nie für Zeitungen schrieb), und ich besuchte ihn und die Familie das letzte Mal im Sommer 1977. Laut «Stern» war das das Jahr, in dem ich durch «Indiskretionen» die Ehe zerstörte. Sie war aber bei meinem Besuch keineswegs (jedenfalls mir nicht sichtbar) zerstört. Nach meinem Besuch in Sheerness kamen noch verschiedene Briefe in der üblichen Frotzel-Spiel-und-Ernst-Manier; der letzte freundliche Gruß vom Mai 1978 – also ein halbes Jahr nachdem durch mich die Ehe zersprungen sein soll.
    Im Herbst 1978 hörte ich zum ersten Mal, und zwar von Enzensberger und Grass, daß Uwe und Elisabeth Johnson sich getrennt haben sollten. Da ich wußte, daß diese Klein-Familie das Zentrum seines Lebens, die Tochter das Zentrum seiner Prosa-Arbeit war, daß er in Wahrheit mehr und mehr gemieden auf einer abtauenden Eis-Scholle lebte – war ich vollkommen entgeistert.
    Ich rief Unseld und Helen Wolff (seine amerikanische Verlegerin, an der er sehr hing) an, um zu erfahren, wohin man fliegen müsse, um helfen zu können – und buchte bereits das Ticket nach London. Ihn konnte ich nie erreichen – sonst hätte ich ja nicht seinen Verleger fragen müssen. Unselds Sekretärin Burgel Zeh hat ihn dann erreicht – und ihm, offenbar harmlos und wohlwollend, erzählt, daß ich ihn dringlich und vergeblich versucht habe anzurufen. Daraufhin kam jener jetzt im «Spiegel» zum Teil zitierte Brief, der mich beleidigte und kränkte – es war sozusagen ein schriftliches «Menschenversenken»-Spiel geworden (selbst Martin Walser, einer seiner engsten Freunde, hat seinetwegen, geradezu aus Angst vor ihm, die Unseld-Feier zu Max Frischs Geburtstag verlassen; Hans Mayer, bei dem Uwe Johnson in Leipzig studiert hatte, brach vollkommen mit ihm). Ich lege hier die Kopie meiner damaligen Antwort an ihn bei – die self- explanatory ist.
    Nur: Auch zu diesem Zeitpunkt gab es nichts, was Indiskretion genannt werden dürfte. Er meldete sich nicht, ich mich auch nicht. «Jedermann», sozusagen in der Welt der Literatur, wußte: Uwe Johnson ist nun vollkommen verrückt geworden, trinkt und läßt wie auf dem Berg Athos nicht mehr ein weibliches Tier ins Haus. Der Roman stockte.
    Dann kam seine Aufsatzsammlung BEGLEITUMSTÄNDE, in der er – nie dagewesen in der Literatur – seine Frau öffentlich des Ehebruchs und der Ost-Agentenschaft zieh – sie sei in Wahrheit nie seine Frau gewesen, sondern ihm «unterschoben» worden. Die Tochter (so erzählte er gelegentlich einiger Deutschland-Besuche Kollegen wie Grass, Brasch oder Hildesheimer) sei nicht von ihm, sondern von dem Agenten.
    Ich rezensierte das Buch bei uns (positiv; ZEIT Nr. 42/1980) und ging korrekterweise auf diesen Skandal ein. Auch das – als habe ich, nicht er die Dinge öffentlich gemacht – soll er übelgenommen haben.
    Dann kam, wider alles Erwarten, der Abschlußband JAHRESTAGE. Ich rezensierte (positiv, ZEIT Nr. 42/1983): habe also nie, mit keiner Zeile die objektiven Pflichten und Rechte des Kritikers auch nur andeutungsweise mit Privat-Querelen vermengt. Im Nachruf, geschrieben noch in der Nacht der Todesnachricht, habe ich aufs Reinlichste eben diesen Bruch einer Freundschaft erwähnt.
    Sie wissen am besten, daß ich mich sogar trotzdem dafür eingesetzt habe, daß die ZEIT ihn nach New York schickt; kann man fairer, korrekter, humaner handeln?
    Uwe Johnson, bei aller Verrücktheit ein Moralprediger und Prinzipienreiter, hätte NIE IN SEINEM LEBEN diese Einladung von mir – er wußte, sie kam von mir, er hat mit mir wegen dieser Reise korrespondiert; also 1983 – angenommen, wenn er mich als «Zerstörer seiner Ehe» angesehen hätte. Er hätte auch nicht einen langen Abend lang bei Hans Werner Richters Geburtstag, also noch im November 1983, an einem Tisch mit mir gesessen, gegessen, getrunken. Dafür hätte ich Zeugen: Grass (der mit am Tisch saß), Hans Mayer, Joachim Kaiser, Christian Gneuss vom NDR.
    Pardon für das Epos. Sie verstehen, daß ich zutiefst verletzt über diese haarsträubenden Lügen bin – die ja zu

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