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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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hätte sofort gehen sollen, als er, während Meichsner vom NDR mir zu dem Artikel gratulierte, nur den einen Satz hervorstieß: «Unerträglich» – wieso bleibe ich im Hause eines Mannes, der weder Manieren noch Geschmack hat, nur Geld, der mich evident haßt und dessen Ruhm ich doch auch mehre. Wie schön wäre es, unabhängig zu sein – und heute mit einem knappen Satz zu kündigen, mit jenem Tucholsky-Satz an Theodor Wolff 2 , mit dem ich vor vielen Jahren schon (als heimliches Zitat) bei Kindler kündigte. Dies Gefühl, ungebeten, unerwünscht zu sein (noch dazu bei DER vielen Arbeit), daß man mich nur aus rechtlichen Gründen nicht rausschmeißen kann, quält mich. Oder werde ich immer empfindlicher, dünnhäutiger? Haben mich die 7 Zeitungsjahre abgewetzt? Der «Geburtstags-Abend» tags zuvor, Montag, mit Fichte, war geradezu gräßlich: nicht nur, daß er mich den teuersten Champagner bestellen und zahlen ließ, die Austern dutzendweise (mein kleines Bremsen, ich nehme nur 6, schlichtweg überhört). Ich fürchte, er ist in einer akuten Johnson-Gefahr: eine echte Paranoia. Allen Ernstes verkündet er, die verzögerte Auslieferung des Jubelbuches über ihn bei S. Fischer sei ein Werk der Geheimdienste (wobei er sich zwischen KGB und CIA nicht entscheiden kann), genauso wie ein Druckfehler in einem KONKRET-Artikel über Luther oder das Verschwinden eines Rezensionsexemplars in einer NDR-Redaktion. AIDS ist ohnehin vom CIA – ein umgekipptes Reagenzglas der Chemical Warfare. Das hat etwas so Absurdes, daß man auch nicht mehr lachen kann. Gipfelpunkt ist dieses Jubelbuch über sich selbst, an dem er wohl mehr gearbeitet hat als je an einem Buch VON sich selbst. Die Biographie hält so denkwürdige Daten fest wie: 1948, filmt mit Lil Dagover (also mit 14!) oder 1962 Freundschaft mit Fritz J. Raddatz oder 1979 Interview mit Elfriede Gerstl (wer ist das?) oder 1984: Fichte spricht selbst den Grafen Platen (in einem Hörspiel, das noch dazu kein Hörspiel ist). Die Bibliographie gibt mit SÄMTLICHEN Titeln ein 19bändiges Romanwerk an, von dem es keinen einzigen Band gibt (angeblich sind 6 im Manuskript fertig – aber wer weiß, ob das stimmt?). Und im Fototeil heißt es unter einem beliebigen Foto von Borges «Besuch bei Borges» (so könnte ich «Besuch bei Kafka» unter ein Bild von Kafka schreiben). Das ist doch schon krank. Fange an, mir regelrecht Sorgen zu machen – wird das nicht auf seine Begabung, auf sein Schreiben Wirkung haben, es noch monomanischer, also: monologisch machen? Das früher Witzige – «Ich bin die größte Schriftstellerin» oder: «Raddatz, ich bin gestern ermordet worden» – ist weg; geblieben ist eine ungute Schärfe, Verachtung ALLER anderen und in meinem Fall ein schrilles Lob – «KUHAUGE ist das wichtigste Buch der Nachkriegszeit!» – – – zu einer 10-Zeilen-Glosse in der letzten ZEIT über Leni Riefenstahl usw. sagt er: «Das war Ihr bester Artikel, den Sie je geschrieben haben.»
    Kampen, den 14. Mai
    Mildred Scheel tot. Hat mich doch sehr erschüttert – ein Glück, daß ich ihr doch noch telegraphiert hatte; wie Scheel sagte, hat sie sich noch sehr über diesen Gruß gefreut – und ihre Karte mit dem Dank gab mir die Schulze mit dem Satz: «Übrigens ist sie tot.» Post von Toten …
    Frankfurt, Mai
    Podiumsdiskussion mit Horst Krüger und Iring Fetscher zum Thema (das man nun bald nicht mehr hören kann) 8. Mai. Wobei ich allerdings ganz verblüfft war, wie unglaublich viele – auch junge – Menschen kamen und geradezu «ergriffen» zuhörten. Und bei meinen (ja gewohnt radikalen) Thesen enorm applaudierten: meiner ewigen Frage, was wohl die Mieter in den Berliner oder Breslauer Mietshäusern gedacht haben, als alle Familien Goldstein verschwanden (sie konnten ja nicht ALLE zu Ferien an der Ostsee aufgebrochen sein); wie frenetisch doch immerhin nahezu ALLE Herren Deutschen diesem Herren aus Braunau applaudiert haben; wie wenig es mir nach «Sabotage des Proletariats» klingt, wenn man heute weiß, daß der höchste Industrie-Ausstoß im 3. Reich im März 1945 war: Sie wären doch alle, alle mit ihm bis ans Ende der Welt marschiert, wenn’s nur «technisch – also militärisch» geklappt hätte, und die Gauleiter hätten sich auf ihren Rittergütern im Osten gesuhlt, und die Mimen hätten gemimt, die Dichter gedichtet, die Karajans «gegeigt» … Und dies ewige «Was hätten sie denn machen sollen, sie konnten doch nicht alle emigrieren» kann ich nun

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