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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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irgendwas plaudern wollte, so tuend, als seien wir befreundet, gar mit einem Besuch drohte. Die banale Herzlichkeit von Hans Habes ILONA.
    Und dann Hanne Goebel, die langjährige Mätresse von Carlo Schmid, weder wusste ich, daß sie überhaupt noch lebt, noch, woher sie meine Nummer hat. Sie wollte zu ihrem 77. einladen – allerdings mit dem rührenden Hinweis, es sollten alle die Leute kommen, die «damals» Carlo Schmids 70. gefeiert haben – – – – das war bei der zu jenen Zeiten noch nicht in die luftigen Bereiche der Kunst entschwebten Gabriele Henkel, als sie noch Freund ihrer Freunde war und solche in der Tat bezaubernden Gesten zur Verfügung hatte – die Gästeliste von Wapnewski über Biedenkopf zu ich-weiß-nicht-mehr-wem (wenn ich mich recht erinnere, zumeist in dem Gedenkbuch verewigt). Auch das: versunkene Welt.
    Hotel Kempinski, Berlin, den 4. August
    Abends Verabredung mit einem, wie ich dachte, amüsanten ehemaligen STASI-OFFIZIER, der, schwul, im Auftrag der «Firma» als Kellner verkleidet mit Westmanagern in den Hotels schlafen mußte. Es kam aber stattdessen nur fades Zeug à la «Man hat doch dran geglaubt» und Undefinierbares über literarische Pläne, etwa einen «Rimbaud»-Roman (???); das alles in einem «Scene»-Lokal am Prenzlauer Berg – – – was mich alles zusammen bis zu Gähnkrämpfen langweilte – was gehen mich diese Leute mit ihren grünen Haaren oder ohne Haar an, was soll daran «interessant» sein, noch dazu in Gegenwart eines jungen Mannes, der mir – was ich hasse – nach paar Minuten von seiner vergangenen Liebe und der (sofort gefundenen) neuen erzählte, das alles bei Grießpudding zum Rotwein. Brrr.
    Kampen, den 6. August
    Splitter’chen. Schade, daß es so unbeträchtlich wirkte, wenn man’s schriebe (und wieso eigentlich?) – die zierlichen Hysterien meiner beiden Pariser Freunde wären schon ein hübsches «Unter der Treppe». Sie lassen aneinander die bösartigsten, hämischsten Aggressionen aus – und dann, «aber wir hatten ja Karten», geht’s abends nach Menton zu einem Konzert. «Damit es besser aussieht, wenn du dich ficken läßt», sagt der eine zum anderen, wenn er ihm die Genickhaare ausrasiert (weil man so 30 Francs spart), oder: «Du bist genauso vulgär wie deine Mutter, ich bleibe in Paris und komme nicht nach Nizza.» Am nächsten Tag ist er da, weil in Montpellier eine Diva singt, die es unbedingt zu hören gilt. «Ich will dich nie mehr wiedersehen, du hast mir mein Leben verdorben, ich steche dir ein Messer in deinen dicken Bauch» – derlei ist noch das mindeste. Es wird aber eilig gesagt, weil gegen Mittag der Flohmarkt zumacht.
    Die Erklärung? Kann wohl ein Außenstehender nicht geben. EINE aber ist gewiß: daß keiner von beiden irgendein soziales Leben hat, keiner einen Beruf, keiner Verwandte – jeder «normale» Mensch hat mal Krach im Büro, zittert um seinen Urlaub, Gehaltserhöhung, Kündigung, um einen kranken Vater oder die Berufschancen des Sohnes. Wenn dieses gesamte soziale Umfeld wegfällt und nur der Durchfall der Katze als Kummer bleibt, richten sich die Aggressionen – wie bei eingesperrten Ratten? – gegeneinander. Auch leicht eklig/ekelhaft.
    Gestern bei der Herfahrt endlich mal im Museum Schleswig, das wunderschön gelegen, gut restauriert, schöne Räume – und insgesamt eine Labsal. Allein die von Springer geschenkten Keramiken, jedes Stück für sich ein Museumsstück (immerhin hatte der Herr von BILD auch Geschmack, was man vom Herrn des SPIEGEL nicht sagen kann), eine Labsal. Die Morandi-Ausstellung interessierte mich nicht so sehr, das Beste an ihm scheint mir sein Dictum «Nichts ist so abstrakt wie die Realität», hübsch die kleine Wunderlich-Ecke (von der sich voll Grausen – «na, wer sich so was hinhängt …» – die spießigen Gäste abwandten) und oben Möbel, Portraits oder die BRÜCKE-Leute, alles von wohltuend-unaufgeregter Bild-Gelassenheit. Neulich auch in Berlin, in dem neueröffneten Nationalmuseum, eine herrliche Sammlung, deren Exponate auf verschiedenfarbigem Samt geradezu leuchteten – – – und die gegenüber in der Nationalgalerie gezeigten Max-Ernst-Schmuckstück’chen auf ihren Platz verwiesen: den des Gefälligen.
    28. August
    Amüsiert-befremdet zurück von der Reise zu «Pauls Hochzeit», was heißt: der Hochzeit seiner Tochter (auf dem Besitz in der Provence). In den letzten Wochen verabschiedete man sich jedoch in Hamburg mit dem Satz: «Na, wir sehen uns dann

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