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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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kostbare Diderot-Edition vom Herrn Seeger von Propyläen (die Ausgabe insofern 1 Stück bundesrepublikanische Kulturgeschichte, als ihr ein Revers einlag, den man beim Kauf unterschreiben mußte, versichernd, daß man großjährig und den Band/die Bände nicht an «Minderjährige» weitergebe: Diderot!). Und mehr Presse/Funk, als ich gedacht hatte (überraschenderweise fast alle, mit wenig Ausnahmen, positiv und freundlich, Michael Krüger und ein Herr Steinfeld, FAZ und SZ, geradezu freundschaftlich; wobei ich letzteren garnicht kenne).

    Jedennoch: Wer alles sich NICHT rührte – etwa mein Pastor Giessen aus Keitum, der noch vor 10 Jahren hier mit der Schnecke schäkerte und der mich doch beerdigen soll und das Datum der Kampen Herald Tribune hätte entnehmen können, in der ein Schnokus über FJR stand: Hm. Ich werde noch die eigene Beerdigung verbieten müssen …
    10. September
    PS zur «Geburtstagsrezension»: «Eigentlich» kann ich mich nicht beklagen, viel Presse, manche gar respektvoll-freundlich, viele und manche schöne Briefe. Doch 2 interessante Abstriche: Alles mögliche per Post, vor allem von den offiziellen Institutionen, von Biedenkopf über Hamburger Senat bis Rau (der dann doch einen Referenten-Brief schickte). Aber NICHTS Öffentliches. Diese Briefe kosten 1,10 DM Porto, mehr nicht. Eine öffentliche Reaktion, eine Rede, eine Auszeichnung, eine Akademiemitgliedschaft: Damit würde man sich offenbar kompromittieren. Und: kaum Geschenke. So kam etwa von meiner «Familie», also den Neffen, GARNICHTS.
    Die Tochter in Amerika ist Dollarmillionärin. Eine Flasche Wein?
    Nein.
    Da ich ja Schenken als Streicheln begreife – konnte ich mich nur freuen über 3 Gaben: Paul Wunderlichs Zeichnungen; die Grass-Zeichnungen wie seine Bereitschaft, die Laudatio zu halten (was wegen Krieg gar ausfallen mag, sei’s drum).
    14. September
    Kriegsgefahr? Der menschenverachtende, grausam-brutale Überfall in New York macht mir angst. Es zeigt sich, daß man im Alter – GANZ nervendick war ich ja nie – Haut aus Seidenpapier hat: Träume, wie ich in einem Flugzeug sitze, ich sehe mich/uns (die Passagiere) auf die World-Trade-Center-Türme zurasen, träume mich in die oberen Stockwerke, träume, wie ich – Kopf voran; so wie es eines der entsetzlichen Fotos zeigt – aus den oberen Etagen stürze.
    Angst aber auch vor Krieg, den der grützdumme Bush eventuell anzettelt in seiner Texas-Ranch-Colt-Mentalität; plötzlich reden sie von «Rache», die vorher gerade DIESEN Begriff und das daraus abgeleitete Handeln der Israelis verurteilten. Zumal: Rache AN WEM? Als könne man einen Partisanenkrieg gewinnen. Aber sie WERDEN etwas tun, irgendetwas Gigantisches; Saurier: viel Panzer, wenig Hirn.
    Werd’ ich also am Ende meines Lebens noch einmal Krieg erleben?
    Einen Weltkrieg?
    Tee und Zigaretten gekauft. So kläglich ist der Mensch.
    22. September
    Wievielte Fortsetzung der «Geburtstagsrezension»: Berlin also. War «festlich» da. 500 Menschen im Logenhaus.
    Lustig, daß Michael Naumann seine Laudatio mit einer zwar hübschen, aber total erfundenen Geschichte von einem Besuch mit mir und Joseph Brodsky am Grab von Johannes R. Becher begann. Es muß ZU schön sein (bis zu den gelben Schuhen, die ich angeblich trüge), «Geschichten um FJR» zu erfinden.
    Als Nachhall geht nun in Berlin angeblich mein (ein in diesem Fall NICHT erfundenes) Bonmot um; ich begrüßte höflich den Bundeswirtschaftsminister (den ich nicht kenne und auf dessen Anwesenheit man mich aufmerksam gemacht hatte) mit den Worten: «Man sagt mir, Sie seien … Verstehen Sie denn etwas von Wirtschaft?» Er: «Soviel wie Sie gewiß.» Darauf ich: «Also nichts.» Pointe: Sein Ministerium sitzt in der alten medizinischen Akademie, in der Benn studiert hat.
    Meine sogenannte Ansprache (auch wenn man mir Gegenteiliges klatscht) war schlecht, ich war und bin innerlich nicht schwebend-frei (was Voraussetzung meiner frei gesprochenen kleinen Interventionen ist), New York hängt in meiner Seele … ich kann das nicht wegwischen, und die Pointen knallen nicht, weil ich den großen Knall höre. Gut, daß ich nexte Woche in Hamburg nicht sprechen muß, sondern LESE.
    Auch war ich unhöflich und saß und saß an meinem Tisch, statt, wie sich’s gehört, zwischen den Gängen, zumindest «nach Tisch», mich mal an einen der anderen Tische zu setzen, wo immerhin Volker Braun oder Peter Schneider oder Delius oder, oder saßen, schließlich gekommen, mir die Ehre

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