Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Sabine eine bildschöne Frau gewesen war. Die unsichtbare Schönheit, dachte sie und stellte befriedigt fest, dass davon nichts übrig geblieben war. Schönheit vergeht, die Ausstrahlung bleibt. Sabine hatte nie gestrahlt. Im Gegensatz zu ihrer Schwägerin.
„Wie geht es euch nach dieser schrecklichen Sache mit Sigurd?“, fragte Alice.
„Deswegen, nun ja, deshalb bin ich hier. Ich brauche deine Hilfe, Alice, bitte, ich weiß nicht so genau, wie ich anfangen soll.“
„Wie wär’s mit dem Anfang, Häschen.“
„Wenn ich wüsste, wo er ist, dieser Anfang. Wenn ich wüsste, ob überhaupt etwas ist, ich bin total durcheinander.“ Die Kleinmädchenstimme von Sabine ging Alice auf die Nerven.
„Du bist ja inzwischen berühmt“, sagte Sabine und knabberte wieder an dem unsichtbaren Nietnagel an ihrem Brombeer-Fingernagel.
„Du bist nicht hier, weil ich berühmt bin“, sagte Alice.
„Ehrlich gesagt, nein. Oder doch. Weil, man hat mir gesagt, dass du ab und zu auch als Detektivin arbeitest.“ Alice musste sich ein lautes Lachen verkneifen.
„Ich arbeite als Schriftstellerin, Sabi“, sagte sie.
„Aber Lindi hat mir erzählt, dass du schon mehrere Verbrechen aufgeklärt hast.“
Lindi, so, so.
Elke kam mit stoischer Miene und dem Roibuschtee ins Zimmer. Für Alice hatte sie eine Tasse Kaffee mitgebracht. Während sich Elke mit der Grazie einer japanischen Geisha aus dem Büro zurückzog, wechselte sie mit Alice einen belustigten Blick.
„Zufall, Schätzchen. Ich helfe alten Freunden immer gern. Geht es um den Mord an Sigurd?“ Alice hatte die Nase voll von Sabines Geziere.
Sabine schüttelte den Kopf und starrte in die KPM-Tasse mit dem Roibuschtee, als ob sie im Kaffeesatz lesen würde.
„Nein, ich meine, nein.“
Himmel, was für eine Husche. Am liebsten hätte Alice den Ball aus der Schublade genommen und ihre Nervosität abtrainiert. Sabine ging ihr auf die schmerzenden Gelenke. Aber dann rang Sabine sich schließlich doch durch und erzählte von dem Überfall auf ‚Lindi'. Alice hatte sich immer gefragt, wie man mit der eigenen Schwägerin in einem Haus leben konnte.
„Es macht mir Angst, Alice“, sagte Sabine leise.
„Was sagt denn Linda dazu? Hat sie dich hergeschickt?“
„Nein. Sie weiß nicht, dass ich hier bin.“
„Warum gehst du nicht zur Polizei? Die scheinen sich doch darum zu kümmern.“
Sabine atmete tief durch, setzte die Teetasse mit einem satten Klacken auf die Untertasse und schaute Alice mit ihren himmelblauen Augen direkt an.
„Ich bin mir nicht sicher, ob wir etwas zu verbergen haben.“
„Du meinst, ob Linda etwas zu verbergen hat?“
„Ich sehe, dass sie Angst hat. Auch, wenn sie mich auslacht. Bitte, Alice …“
„Erzähl mir von Linda. Wie geht es ihr, wie geht es euch nach Sigurds Tod? Kommt ihr miteinander aus?“
Alice sah, wie Sabine lächelte. Und da war noch etwas. Aber damit würde sie sich später beschäftigen.
„Ja, ja, klar, natürlich. Wie immer.“
Und deshalb kommst du auch zu mir, ohne Linda etwas zu sagen, dachte Alice.
„Du glaubst also, dass der Einbruch etwas mit Sigurd zu tun hatte?“
„Ich weiß einfach nicht, was ich denken soll“, sagte Sabine. „Die haben irgendetwas gesucht und sind gestört worden. Und sie werden wiederkommen. Weil sie nicht gefunden haben, was immer sie auch gesucht haben.“
„Dann braucht ihr einen Bewacher?“
„Lindi weigert sich, jemanden ins Haus zu holen. Ich habe ihr das schon vorgeschlagen. Sie sagt, wozu brauchen wir einen Bewacher? Aber sie kann nicht mehr schlafen, seitdem …“
„Seitdem Sigurd tot ist? Oder seit dem Überfall?“
„Seitdem allem. Ich meine, ach, ich weiß nicht.“
„Gibt es eine Möglichkeit, jemanden bei euch sozusagen einzuschmuggeln? Jemanden, der auf euch aufpasst?“
Sabine schüttelte den Kopf, wobei sich eine lange, rote Strähne aus ihrem unordentlichen Knoten löste.
„Habt ihr eine Haushälterin, eine Köchin oder so was?“
„Die Köchin hat gekündigt.“
„Na fabelhaft. Dann brauchst du doch nur eine neue Köchin einzustellen!“
„Eine Köchin? Wofür? Lindi lässt das Essen für die Patienten jetzt anliefern.“
„Eine Köchin, die euch beschützt. Und die Zugang zu allem hat, was in eurem Haus eventuell verborgen sein könnte“, sagte Alice. Das war die Idee!
„Linda sagt, was wir brauchen ist keine Köchin, sondern eine Putzfrau. Ich bin nicht so an Hausarbeit interessiert, wie du ja weißt.“
„Dann überzeuge
Weitere Kostenlose Bücher