Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Katalog für die Echtheitsbestimmung von Gemälden ab, machte eine Aufnahme mit der Reflektorlampe und fütterte damit den Computer. Es war eindeutig ein Bild von Monet. Genau wie der Getreideschober, den die Kopie zeigte, war auch das darunter liegende Motiv eindeutig aus einer Serie. Im Computer fand er den Namen: ‚Hütte des Zollwärters in Varengeville'. Und noch etwas fand Timo Gazlig im Computer. Dieses Bild sollte bei Sotheby’s im Auftrag von Carlotta Sprengler versteigert werden. Austoben, hatte der Professor gesagt. Also wusch Timo Gazlig die gesamte Kopie ab. Selbstvergessen arbeitete der Doktorand sich vorsichtig Zentimeter für Zentimeter vor.
Gazlig legte dem Professor am nächsten Morgen einen Zettel auf den Tisch. Allerdings hielt es der Professor nicht für nötig, sich bei seinem Doktoranden zu melden.
Als Holtheimer am nächsten Morgen an Timos Besenkammer vorbeikam, sprang Gazlig auf und lief ihm hinterher.
„Herr Professor, haben Sie meine Nachricht nicht bekommen?“ Der Professor winkte ab und ging weiter.
Was hat der nur?, fragte sich Gazlig, der sich nicht zum ersten Mal über seinen stieseligen Doktorvater ärgerte. Trotzdem lief er dem Professor auf dem schmalen Institutsgang hinterher.
„Herr Professor Holtheimer, bitte schauen Sie sich das Bild an“, sagte er atemlos.
„Welches Bild?“, fragte der Professor.
„Na das, was Sie mir vorgestern gegeben haben. Sie werden nicht glauben, was ich darunter gefunden habe!“, sagte Gazlig ein wenig außer Atem.
„Einen echten Monet“, antwortete der Professor.
„Woher wissen Sie das?“, fragte Timo.
„Weil Sie so scharf darauf sind, einen echten Monet zu finden, dass Sie sogar einen falschen Kandinsky zu einem echten Monet erklären würden“, sagte der Professor. Gazlig schluckte. Konnte es sein, dass er wirklich so ehrgeizig war, dass er blind geworden war?
„Herr Professor, bitte, ich bin mir sicher …“
„Nun beruhigen Sie sich mal junger Mann. Ich komme nachher zu Ihnen“, sagte der Professor gönnerhaft. Gazlig schlich zurück in seine Besenkammer.
Als der Professor sich endlich zu seinem Doktoranden bemühte, präsentierte Gazlig ihm stolz seine Untersuchungsergebnisse und das einwandfrei abgewaschene Bild.
„Ja sind Sie denn vollkommen geistesgestört“, brüllte der Professor. „Wie kommen Sie denn dazu, die Kopie, und sei sie noch so schlecht, einfach abzuwaschen? Das habe ich Ihnen nicht erlaubt, Sie können doch nicht einfach fremder Menschen Eigentum beschädigen.“
„Sie haben gesagt, ich soll mich austoben“, sagte Timo.
„Austoben heißt nicht auswaschen, Sie hirnverbrannter Idiot!“, schrie der Professor. „Was soll ich denn jetzt meinem Schwager sagen?“
„Aber das ist es doch. Ihr Schwager hat einen echten Monet gefunden.“
„Quatschkopp“, sagte der Professor, „das ist ein Bild aus der Serie ‚Hütte des Zollwärters', und genau dieses Motiv befindet sich gerade im Versteigerungskatalog von Sotheby’s. Also kann es sich hier nicht um ein Original handeln, Sie Hornochse.“
„Aber schauen Sie mal …“ Der Professor ließ Timo nicht ausreden.
„Haben Sie schon mal davon gehört, dass ein Original mit einer schlechten Kopie übermalt wurde? Nein, ich auch nicht. So und jetzt rufen Sie meinen Schwager an und erklären Sie ihm den Schwachsinn, ich habe keine Lust mir seine Tiraden anzuhören, von wegen, ich hätte sein kostbares Bild verunstaltet. Sie werden Ihre Sünde selbst beichten. Ich hoffe, Sie haben eine gute Versicherung“, sagte der Professor. Er blieb stehen und kritzelte eine Telefonnummer auf einen Zettel und rauschte von dannen.
Timo stand fassungslos vor dem Bild. Er war sich sicher, dass er es hier mit einem echten Monet zu tun hatte. Wieso hatte der Schwager das Bild zu seinem Professor gebracht? Der musste doch so eine Ahnung gehabt haben. Timo wählte die Nummer.
Gazlig stellte sich vor, als Romanowski sich meldete. Er hätte da mal eine Frage: „Wieso haben Sie das Bild zu uns ins Institut gegeben?“ Egon räusperte sich.
„Es ist doch ein Original, stimmt’s? Ich hatte da so ein Gefühl!“
„Ja, äh, ich muss Ihnen etwas beichten. Ich habe das Bild abgewaschen, also die schlechte Kopie, äh …“
„Das ist kein Problem“, sagte Egon. „So was male ich Ihnen in drei Tagen. Aber besser.“ Timo atmete durch. Also von der Seite würde er keinen Ärger kriegen.
„Nun sagen Sie schon, es ist ein Original drunter, stimmt’s“, sagte
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