Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
in offizieller Mission dort. Um mehr über die Geheimnisse der Familie Sprengler zu erfahren. Kommen Sie damit klar?“
Mist. Sie hatte Judith gerade an ihrer empfindlichsten Stelle gepackt. Diese Frau schaffte es, ihr gesamtes emotionales Chaos einmal neu aufzumischen.
„Ich weiß es nicht“, sagte Judith. Und dann fiel ihr ein, dass sie sogar zweimal in dem gleichen Dilemma saß. Lady Kaa musste unbedingt wissen, was sie von Gabi erfahren hatte. Vielleicht konnte sie das neutral halten.
„Ich habe übrigens aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass Sabine Sprengler lesbisch geworden ist, nachdem ihr Mann ihr nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hat. Auch Linda Sprengler ist angeblich lesbisch. Sie hatten mal ein Verhältnis miteinander. War wohl so etwas wie die Rache der kleinen Frau. Und Sabine soll angeblich eiskalt sein.“
„Wer ist Ihre zuverlässige Quelle?“, fragte Lady Kaa.
„Gibt es nicht so was wie Quellenschutz?“, fragte Judith zurück.
Lady Kaa lächelte schon wieder. „Und das ist hundert Prozent gesichert?“
„Hundertprozentig“, sagte Judith.
„Das wirft ein paar neue Fragen auf“, sagte Lady Kaa. „Danke, dass Sie mich informiert haben. Also entscheiden Sie sich, und dann sagen Sie mir Bescheid. Ich habe nichts dagegen, Sie nach Juan-les-Pins zu schicken.“
Sie war entlassen, sagte ihr dieser Ton. Also erhob Judith sich und trottete in ihr Arbeitszimmer. Ihr war heiß. Alice hatte sie in die Wüste geschickt. Oder nicht? Zumindest hatte sie ihr Problem genau benannt. Und sie hatte ihr zu verstehen gegeben, dass sie ihr glaubte, auch wenn sie eine Quelle nicht benennen wollte. Das jedenfalls war schon mal gut im Hinblick auf die Zukunft. Aber was war mit der Gegenwart? Sie sagte sich, dass sie sowieso nicht am Wochenende würde fahren können. Klar konnte sie sich krankmelden. Aber wovon sollte sie dann ihre Miete bezahlen? Sie würde Nils alles beichten müssen. Und das konnte sie nicht, wegen Lady Kaa. Verflucht, sie saß in der Tinte. Moment, Moment, Judith, ganz ruhig und dann mit einem Ruck. Sie setzte sich an den Computer und schrieb:
Ich bin verliebt in Nils Sprengler. Ja und, Judith?
Wenn ich nicht mit ihm nach Nizza fliege, verliere ich nichts.
War das die Lösung des Problems? Den Zustand X beibehalten?
Nein, denn die richtige Frage hieß:
Warum eigentlich will ich mit ihm nach Nizza fliegen?
Sie fing an zu verstehen, warum Alice alles in Geschichten kleidete, was ihr erzählt wurde. Man sieht plötzlich klarer. Warum zum Teufel wollte sie mit Nils nach Juan-les-Pins fahren? Ja, sie wollte es so sehr, dass es sie eine schlaflose Nacht gekostet hatte. Und einen Gang nach Canossa.
Ich will wissen, ob er unschuldig ist. Sie hatte das geschrieben, ohne darüber nachzudenken. Bingo! Genau das war es. Sie wollte es genau wissen. Und sie musste mehr wissen. Über ihn, über seine Familie. Damit betrog sie ihn nicht, denn sie wollte ja seine Unschuld beweisen. Warum war sie nicht früher darauf gekommen. Sie schob entschlossen ihren Stuhl vom Tisch weg und stiefelte zurück zu Lady Kaas Schreibtisch.
Alice schaute nicht von ihrem Bildschirm auf.
„Von wann bis wann wollen Sie fahren?“, fragte sie. Woher wusste die alte Schlange eigentlich, dass sie sich entschieden hatte?
„Bis nächsten Dienstag“, sagte Judith.
„Gut“, meinte Alice und tippte etwas in ihren Rechner. Dann zog sie eine Schublade auf und legte 700 Euro auf den Tisch. Judith schaute sie fragend an. „Reisegeld, Sie brauchen doch Reisegeld. 137 Euro Tagessatz für Unterkunft und Verpflegung für Frankreich, mal fünf Tage macht 685. Bitte unterschreiben Sie die Quittung.“ Judith unterschrieb wie in Trance.
„Aber ich habe doch gar keine Kosten“, sagte sie, „die ich belegen kann.“
„Das ist eine Pauschale, die brauchen Sie nicht zu belegen. Außerdem haben Sie bestimmt Kosten, oder wie wollen Sie Ihren Verdienstausfall in der Kneipe wieder reinholen?“
Wahrscheinlich hatte Judith wie ein Frettchen geguckt, auf jeden Fall lachte sie schon wieder dieses heisere Lady-Kaa-Lachen. Hatte die Alte sie etwa ausspioniert? Woher wusste sie, dass sie am Wochenende hinter dem Tresen stand? Alice von Kaldenberg wurde Judith langsam unheimlich.
Dicke Luft
Linda tippelte auf Zehenspitzen über den Gartenweg zurück in die Remise. Sie versuchte, den großen Pfützen, die der Sintflutregen am Vormittag hinterlassen hatte, auszuweichen. Die Absätze ihrer Manolo-Blahnik-Schuhe waren hin,
Weitere Kostenlose Bücher