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Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Titel: Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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fertig“, hatte er ihm versprochen. Nicht eine Sekunde hatte er dabei ein schlechtes Gewissen gehabt. Diese Nazischweine hatten sie betrogen und belogen. Wie stand schon in der Torah für das Volk Israel: „… so sollst du geben Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuß für Fuß, Brandmal für Brandmal, Wunde für Wunde, Strieme für Strieme.“ Und genau das hatte er getan. Er hatte ihnen das zurückgegeben, was sie ihnen angetan hatten.
    Mort hatte kaum noch zugehört. Die Frau, mit der er vor zehn Jahren ein Verhältnis begonnen hatte, redete ohne Punkt und Komma. Sie war seine Lebensversicherung gewesen, sein Spion. Mort schaute sich um in seinem Büro, von dem aus man die Galerie überblicken konnte. Alles in seiner Galerie atmete reduzierte Eleganz aus, an den Wänden hingen alte und neue Meister. Echte alte und neue Meister. Selbstverständlich. Kein Stäubchen verunzierte den Ruf der Galerie Eisenman, er war einwandfrei.
    Seine Mitarbeiterin war hereingekommen. Laureen passte in diese Galerie wie die Eisenskulpturen, die von unten und von oben angestrahlt wurden. Sie trug ein ärmelloses, schwarzes Etuikleid, das exakt den Ton ihrer Haare hatte. Das einzig Lebendige in ihrem Gesicht waren ihre viel zu großen Lippen, die sie blutrot angemalt hatte.
    „Mr. Aydin ist da“, sagte Laureen. Eisenman wedelte sie mit einer Handbewegung weg wie eine lästige Fliege. Dieser Aydin hatte ihm gerade noch gefehlt. Aber er konnte dem Goldsmith ja schlecht sagen, dass sich sein Türke zum Teufel scheren sollte. Er hatte überhaupt kein Interesse an jungen Malern, ob sie aus der Türkei oder aus Brooklyn kamen, sein Geschäft waren die großen Namen. Trotzdem belagerten sie ihn wie die Fliegen, ab und zu ließ er sich herab in seiner Dependance eine kleine Ausstellung zu organisieren, eher um sich selbst den Anstrich eines Förderers der schönen Künste zu geben, denn aus wirklichem Interesse.
    „Ich muss jetzt Schluss machen, ich habe einen Termin“, sagte er ins Telefon und legte auf, ohne sich zu verabschieden. Ächzend erhob er sich aus dem Ledersessel, nahm seinen Stock mit dem goldenen Knauf, manchmal Attitüde, manchmal Notwendigkeit, und ging zu dem Empfangstresen am Eingang. „Mr. Aydin, es ist mir eine Ehre!“

Die Henkersmahlzeit
    Es war doch noch ein schöner Sommerabend geworden, auch wenn am Nachmittag schwere Gewitterwolken über dem Spreewald gehangen hatten. Linda entschloss sich, das Abendessen auf der Terrasse des Restaurants 17fuffzig zu nehmen. Ob die immer noch einen Stern hatten? Aber eigentlich war Linda das egal, sie wollte nur unter normalen Menschen sitzen, in Ruhe ihren Gedanken nachhängen und nicht von Sabine belauert werden. Nachdem der Ober ihr eine eisgekühlte Flasche Condrieu geöffnet hatte, stieß sie mit Siggi in Gedanken auf die Osterferien 1959 an, die ihr als die glücklichsten Tage ihres Lebens in Erinnerung geblieben waren:
    Sie war nach zwei Zwischenstopps in Paris und Shannon auf dem International Airport in New York gelandet. Siggi hatte auf Linda gewartet, sie fuhren mit dem Flughafenbus im leichten Nieselregen nach Manhattan. Stumm saßen sie nebeneinander, Hand in Hand. Ihr Vater hatte schon vor Jahren eine Wohnung in Morningside Heights in der Nähe der Columbia University gekauft. Linda hatte Herzklopfen, als sie mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock fuhren. Als Siggi die Tür aufschloss, fühlte sie sich wie die Braut, die nach Hause getragen wurde. Stumm trug er ihren Koffer ins Schlafzimmer, sie sprachen nicht ein einziges Wort zusammen. Und dann fielen sie übereinander her wie zwei Verdurstende in der Sahara. Dieses eine, erste Mal in New York, dem so viele, viele Male folgen sollten, sollte ihr zum Verhängnis werden. Warum nur hatten sie es ohne Kondom getan?
    Diese Osterferien waren ihre Flitterwochen, sie verließen das Bett nur, um sich etwas zu essen zu holen. Sie redeten über sich, ihre Liebe und über ihre Zukunft.
    „ Liebst du mich, Siggi?“, fragte Linda ihn immer und immer wieder.
    „ Für immer und ewig“, sagte er. „Für immer und ewig.“ Sie machten Pläne für ihre Zukunft. Linda würde im nächsten Jahr wiederkommen, um ebenfalls in New York Medizin zu studieren. Vater musste es einfach erlauben.
    Der Kellner kam mit der Vorspeise: mit gesammelten Wildkräutern marinierter Saibling auf grünem Spargel mit Orangen.
    „Das wurde auch Zeit“, sagte Linda, „ich bin schon fast beschwipst von dem vielen

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