Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Wein auf leeren Magen.“
„Wir mussten den Saibling erst fangen“, sagte der Kellner. Linda lachte. Sie mochte die lockere Art, wie die Kellner hier mit ihren Gästen umgingen. Er stellte ein Windlicht auf den Tisch, so dass sie den schön dekorierten Teller besser sehen konnte. Linda probierte von dem Fisch und schloss die Augen. Köstlich. Prost, Siggi!
Diese Liebesbriefe, die sie sich danach geschrieben hatten. Die niemand außer ihnen je als Liebesbriefe würde identifizieren können.
Als die Pfingstferien kamen, geriet Linda in Panik. Ihre Tage waren ausgeblieben. Zunächst sagte sie Siggi nichts, sondern hoffte, dass sie sich nur verzögert hatten.
Sie erzählte ihrer besten Freundin Renate davon, natürlich hatte sie einen ominösen Freund erfunden. Renate riet ihr, heiße und kalte Sitzbäder zu nehmen und anschließend einen Schrank anzuheben. Linda machte kochend heiße Sitzbäder, sie kriegte fast einen Herzinfarkt in einer Wanne mit Eiswürfeln, sie hob alle Schränke an, derer sie habhaft werden konnte – ihre Periode blieb aus.
Als sie sich das erste Mal morgens übergeben musste, schien es keinen Zweifel zu geben – sie war schwanger. Heulend rief sie Siggi an. Er schwieg am Telefon.
„ Sag was“, bettelte Linda.
„ Wir werden eine Lösung finden“, sagte er. „Bleib ganz ruhig.“
Ruhig bleiben, wie sollte sie ruhig bleiben. Was sie an Siggi schon immer genervt hatte, war seine manchmal verhaltene Art, seine reduzierten Emotionen, wenn sie gerade am Überkochen war. Es war klar, dass sie auf jeden Fall bis zu den Sommerferien warten musste, um etwas zu unternehmen. Sie musste zu irgendeiner Engelmacherin, aber wen sollte sie um Gottes Willen danach fragen? Wenn erwachsene Frauen in dieser Lage waren, dann tauschten sie untereinander geheime Adressen aus. Aber Linda war gerade 18 geworden, ging noch zur Schule und bekam ein Baby von ihrem Bruder. Wen also sollte sie fragen?
Hüseyin bei Eisenman
Hüsy stand am Tresen der Galerie Eisenman und schaute sich um. Die Frau, die ihn empfangen hatte, sah aus, als ob in ihrem fahlen Gesicht eine frische Wunde klaffte. „Mr. Eisenman kommt gleich“, sagte sie.
Er schaute auf die Bilder, die an den Wänden hingen. Es waren nicht sehr viele, aber die, die dort hingen, waren fantastisch inszeniert. Und sie waren erstklassig. Zeitgenössische Kunst der amerikanischen Oberliga. Dazwischen ein paar Expressionisten, doch, das konnte sich sehen lassen. Wer hier hing, hatte es geschafft. Nächste Stufe MoMa.
„Mr. Aydin, willkommen!“ Hüseyin drehte sich um. Irgendwie hatte er sich Eisenman größer vorgestellt. Alles an dem kleinen Mann war rund, der Kopf mit dem schütteren Haar, das Gesicht, der Bauch. Um den Bauch trug er eine schwarze Seidenbinde. Tagsüber. Na gut, warum nicht. Sogar seine braunen Augen müssen früher einmal rund gewesen sein, dachte Hüseyin, jetzt waren sie halb versteckt unter Schlupflidern. Na klar, der Mann war Mitte 70. Dafür war sein Gesicht fast faltenfrei, glatt und glänzend wie ein Babypopo.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte Eisenman jovial.
„Zunächst soll ich Sie ganz herzlich grüßen von Bernhard Goldsmith“, sagte Hüseyin.
„Danke, wie geht es dem Maestro? Wir haben uns lange nicht gesehen.“
„Als ich heute früh seine Wohnung verlassen habe, ging es ihm noch ausgezeichnet“, sagte Hüsy und hoffte, dass der Galerist entsprechend beeindruckt war. Anscheinend war er es tatsächlich, denn er bat Hüseyin ihm doch in sein Büro zu folgen, „es redet sich besser im Sitzen.“
„Sie haben eine tolle Galerie und einen erstklassigen Ruf. Sogar in Deutschland habe ich von Ihnen gehört“, sagte Hüseyin.
„Ich habe viele Kunden aus Deutschland“, bestätigte Eisenman. Dabei zog er seine runden Augen fast zu Schlitzen zusammen.
„Ja, das habe ich gehört. Und dass Sie dem einen oder anderen auch auf Bestellung Bilder suchen und verkaufen“, sagte Hüseyin.
„Das mache ich eher selten und wenn, dann nur für gute Freunde“, wiegelte Eisenman ab. Er war jetzt sichtbar auf der Hut. „Suchen Sie etwas Bestimmtes?“, fragte er.
„Nun, mein Chef ist begeisterter Sammler von allem, was gut und teuer ist. Er mag besonders Kunst des 19. Jahrhunderts“, erklärte Hüseyin. „Er hat mich gebeten, mich dezent für ihn umzuschauen, da ich, wie er so schön sagte, davon mehr verstehe als er. Ich bin selber Maler, müssen Sie wissen.“
„Müsste ich ihn kennen, Ihren Chef?“, fragte
Weitere Kostenlose Bücher