Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
zugeben, dass Daniele bis jetzt einfach nur nett zu ihr gewesen war, auch wenn sie sich vor Angst fast in die Hosen gemacht hatte. Aber das hier überstieg einfach ihre nervlichen Ressourcen.
„Bitte, lassen Sie mich aussteigen“, sagte sie. „Mir ist schlecht, ich vertrag das Autofahren nicht so gut.“
„Oh, warum Sie nicht haben vorher gesagt Daniele, Corniche nixe gut ist für faule Magen.“ Daniele erst recht nicht, dachte sie. „Wir fahren Autostrada, keine Problemo mit Magen.“ Himmel, was für ein Schlamassel. Und dann sah sie den schwarzen Renault Scenic.
Mort Eisenman
„Hör auf so zu schreien, ich bin nicht taub“, sagte er.
„Du würdest auch schreien an meiner Stelle!“, zeterte sie. Eigentlich brauchte sie bei dieser Lautstärke kein Telefon. Was auch besser so wäre. War dieser Frau eigentlich bewusst, dass Big Brother mithören konnte?
„Beruhige dich, verdammt noch mal, komm doch einfach her, dann können wir über alles reden.“ Er würde sie nicht trösten können, das war ja klar. Mort saß im Büro seiner Galerie und spielte mit einem Kugelschreiber. Er lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und legte die schmerzenden Beine auf den kleinen Schemel unter seinem Schreibtisch.
Die Gedanken fuhren Achterbahn in seinem Kopf. Wenn er es richtig überlegte, hatte sie ihm eben mitgeteilt, dass sein Problem gelöst war. Sein akutes Problem, an dem er seit einigen Wochen herumlaborierte. Gott war mit ihm, ja genauso empfand er es. Was für seltsame Fügungen sich ergaben, es war, als ob jemand vor ihm das Wasser teilte, so dass er trockenen Fußes seinen Weg gehen konnte.
Er hatte es seinem Vater auf dem Sterbebett versprochen. Er hörte den Wortschwall seiner Geliebten, aber er hatte sich bereits vor Jahren abgewöhnt, ihr wirklich zuzuhören. Bis auf wenige Ausnahmen.
Wenn er sie richtig verstanden hatte, dann hatte er jetzt sozusagen freie Bahn. Wunderbar, dachte er, der Zeitpunkt ist genial. Mort musste lächeln. Es fügte sich alles perfekt.
Für ihn wurde es Zeit, dass er das Problem final lösen würde. Er musste die Bilder vernichten. Alle, und alle auf einmal. Den Plan dazu hatte er in den letzten Wochen nach Sigurds Beerdigung ausgetüftelt, die Idee war ihm gekommen, als bei der letzten Hitzewelle seine Klimaanlage ausgefallen war. Er hatte den Klimatechniker interviewt und der hatte ihm ahnungslos eine einfache und bestechende Lösung präsentiert. Wieso nicht gleich so, man musste gar keine großen Aufstände machen.
Er klappte seine Ohren zu, um den Tiraden am anderen Ende der Leitung zu entkommen. Was war ihm der Schrecken in die Glieder gefahren, als Sigurd ihm plötzlich mitteilte, dass er die Bilder, die er von ihm gekauft hatte, in eine Stiftung geben würden. Das war der Supergau, die schlimmste anzunehmende Katastrophe, die er sich vorstellen konnte. Hatte er nicht immer getönt, dass diese Bilder nur in der Familie bleiben und überhaupt niemals an die Öffentlichkeit gelangen würden?
Mort hatte versucht, ihn dazu zu überreden, die Bilder dezent einzeln weiterzuverkaufen, so, wie es sein Vater gemacht hatte, nachdem er erkannt hatte, womit Morts Mutter abgespeist worden war. Aber nein, Mister Großkotz wollte den großen Auftritt, den Big Bang, wie er sich ausdrückte. Unter Sotheby’s tat man es nicht in seinen Kreisen. Wie er diese Sprenglers hasste! Diese Nazischweine , hatte sein Vater sie genannt. Allerdings hatte sein Vater damit den Ruhm seiner Galerie aufgebaut. In Hollywood konnte man damals alles verkaufen, solange vorne drauf ein Label klebte und es teuer genug war, damit man damit angeben konnte. Was ja bei Bildern irgendwie der Fall war. Die Studiobosse und ihre Stars hatten Isaac Eisenman die Bilder aus der Hand gerissen. Na klar, sie standen im Werkverzeichnis, es gab einen lückenlosen Herkunftsnachweis, es gab Echtheitszertifikate. Und ich, dachte Mort und strich sich eine Strähne seines schütteren, grauen Haares zurück, ich habe unseren Namen international bekannt gemacht. Galerie Eisenman, Los Angeles, Paris, London, New York.
Aber Zeit seines Lebens wurde sein Vater von der Angst verfolgt, dass irgendein Museum die Bilder, die seine Mutter mit in die Ehe gebracht hatte, aufkaufen könnte. „Mort“, hatte er gesagt, „du musst immer an den Bildern dran bleiben. Wenn Experten die Bilder in die Hand kriegen, helfen uns die Echtheitszertifikate auch nicht weiter. Es sind und bleiben Fälschungen.“
„Ich machʼ die Sprenglers
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