Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
hin.“
„Bist du verrückt?“, hatte Linda ihn angeschrien.
„Das ist überhaupt kein Problem, vertrau mir, ich habe mich schlau gemacht.“ Er erzählte ihr, dass er einem Kommilitonen, der sich als Engelmacher sein Studium verdiente, zweimal assistiert habe und dass er sich alles habe genau erklären lassen.
„Das kriegen wir hin.“ Selbstverständlich vertraute Linda ihrem Bruder. Es war auch die einzig machbare Lösung. Eine Engelmacherin in Deutschland kannten sie nicht, damals waren Abtreibungen in Deutschland verboten und sie konnte schlecht zu einem Arzt gehen und sagen: „Bitte machen Sie mein Kind weg, es ist von meinem Bruder.“ Also begab sie sich in die Hände ihres Bruders. Als sie Vater endlich in den Flieger gesetzt hatten, lauerten sie auf Gerdas freien Tag. Sobald Gerda das Haus verlassen hatte, machten sie gemeinsam den Operationssaal fertig. Zumindest hatten sie bessere klinische Bedingungen als die meisten Engelmacherinnen, die damals vornehmlich auf Küchentischen operierten. Linda hatte nichts zum Abendessen gegessen und auch auf das Frühstück verzichtet, damit sie nicht an Erbrochenem ersticken konnte. Er sterilisierte alle Geräte, die er meinte für die Operation zu brauchen, zog sich sterile Handschuhe an und bat Linda, sich auszukleiden und auf dem Operationstisch langzulegen. Er hatte mit zwei Kisten und zwei Kopfkissen, die natürlich ebenfalls desinfiziert waren, etwas gebaut, das entfernt an einen gynäkologischen Stuhl erinnerte. Allerdings wusste Linda das damals noch nicht, da sie noch nie bei einem Gynäkologen gewesen war. Sie schämte sich viel zu sehr, dass sie nicht mehr Jungfrau war, das Jungfernhäutchen wurde damals gehütet wie das Familiensilber. Sie hatten vorher diskutiert, wie Linda betäubt werden könnte. Entweder durch Äther einatmen oder durch eine Spritze mit einem Betäubungsmittel, das ihr Vater bei kleineren Operationen verwendete. Linda entschied sich für Äther, weil sie glaubte, dass das weniger gefährlich wäre, ihr Bruder hatte überhaupt keine Erfahrung mit der Dosierung für eine Betäubung, sie wollte nicht gleich an der ersten Betäubungsspritze seines Lebens sterben.
„In New York kriegen die ein bisschen Lachgas“, sagte Siggi. „Wir haben Besseres!“ Chirurgenkinder eben. Er hatte sich einen von Vaters Kitteln angezogen, eine Mütze aufgesetzt und einen Mundschutz übergezogen. Er sah umwerfend aus.
„Ich liebe …“, und dann war Linda weg.
Auftrag aus New York
Als Hüseyin ihn verlassen hatte, nahm Eisenman sein Prepaid-Handy aus der Schublade. Mit einem Taxi ließ er sich in die Madison Avenue fahren. Dort wählte er eine Nummer in Deutschland.
„Ja!“, meldete sich eine barsche Stimme.
„Spreche ich mit dem Klimatechniker?“, fragte Eisenman. Er verfügte weltweit über erstklassige Verbindungen zu Unternehmen, deren Geschäftszweck im Dunklen blieb. Ein Kontakt zu solchen Unternehmen blieb in seinem Beruf nicht aus, in Paris hatte ihm eine Bande mehrere gefälschte Bilder verkauft. Er hatte davon abgesehen, die aus dem Maghreb stammenden Gauner anzuzeigen. Sie hatten ihm sein Geld wiedergegeben und zeigten sich mit Kontakten und Tipps für sein Schweigen erkenntlich. So hatte er auch einen Kontakt in Deutschland bekommen, der für ihn Aufträge aller Art erledigen konnte. Bei seinem letzten Besuch in Deutschland anlässlich der Beerdigung von Sigurd Sprengler hatte er seine Beziehungen spielen lassen und die Telefonnummer eines Ansprechpartners erhalten. Mit diesem hatte er sich getroffen und ihm detaillierte Informationen gegeben.
„Es ist Zeit, zu handeln“, sagte Eisenman am Telefon. „Die Klimaanlage bei meinem Freund funktioniert nicht.“ Das war das verabredete Zeichen, dass sein Auftragnehmer sofort loslegen sollte.
„Dann werden wir sie reparieren müssen“, sagte dieser.
„Können Sie heute noch kommen?“, fragte Eisenman.
„Wir werden uns bemühen“, sagte der Kontaktmann am anderen Ende der Leitung.
„Danke“, sagte Eisenman und legte auf. Diese Sprenglers waren naiv. Was hatten sie doch für einen sicheren Aufbewahrungsort für ihre Bilder. Großvater Sprengler hatte ein Haus gebaut und einen Keller so errichten lassen, dass dort die Bilder aufbewahrt werden konnten. Sicher wie Fort Knox, pflegte Sprengler zu sagen. Zweifach abgesichert mit Tresortüren, wie jede gute Bank sie hatte, zu hundert Prozent mit Stahl ausgekleidet, Marmorboden. Die waren so darauf gepolt, dass man die
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