Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Bilder nicht stehlen konnte, dass sie nicht daran dachten, dass jemand die Bilder vernichten konnte. Und das war lächerlich einfach. Besonders stolz waren die Sprenglers auf ihre Klimaanlage, die über die darüber liegende Wohnung die Luft an- und absaugte. Die Wohnungen im Haus wurden seit einigen Jahren mit Gas beheizt, und in den Küchen wurde mit Gas gekocht. Dass der Zugang zum Keller über die Küche erfolgte – welch ein glücklicher Zufall. Um die Bilder final zu vernichten, benötigte man nicht mehr als einen kleinen Schlauch, der das Gas vom Herd in die Klimaanlage leitete. Dann konnte man sich in Ruhe entfernen und darauf warten, dass die Klimaanlage einen Funken sprühen würde. Oder dass da unten jemand das Licht anmachen würde. Oder den Code in den Tresor eingab. Ein kleiner Funke genügte und der gesamte Keller wäre ein Flammenmeer. Da es eine Stahltür gab, konnte er davon ausgehen, dass das Feuer sich auf den Tresorraum beschränkte. Und wenn die darüber liegende Wohnung auch ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wurde, na und? Auge für Auge …
Linda im Tresorraum
„Hier ist es“, sagte Linda und deutete mit dem Kinn auf ein altes Haus in der Großgörschenstraße.
„Du mich nicht verarschen“, fuhr sie der Albino an. Linda schüttelte den Kopf.
„Mein Großvater hat das Haus gebaut und den Keller als Tresorraum und später auch als Luftschutzkeller eingerichtet. Er ist einhundert Prozent staubfrei, hat keine Fenster, eine gut funktionierende Klimaanlage und eine dicke Stahltür mit einer Zahlenkombination. Und dieser Keller ist so versteckt, dass selbst die Mieter in den oberen Etagen ihn nicht finden. Die Wände sind mit Stahl ausgekleidet, es ist unmöglich, von außen heran zu kommen. Das Ding ist sicher wie Fort Knox.“ Der Blonde hatte ihre Mullfessel durchgeschnitten. Linda massierte sich die schmerzenden Handgelenke.
„Wie kommen ins Haus?“, fragte er und zog eine Pistole, die er ihr drohend vor die Nase hielt.
„Mit dem Schlüssel an meinem Schlüsselbund“, sagte Linda, als sie aus dem Wagen ausstieg. Ihre Gedanken rasten. Wie sollte sie die Männer loswerden?
„Du aufmachen“, sagte der Blonde. Seine Kumpels hatten sich inzwischen zu ihnen gesellt. Sie schauten sich um, ob jemand sie beobachtete. Niemand in der Großgörschenstraße interessierte sich für sie. Eine türkische Familie lief vorbei, der Vater mit einem grauen Mantel und einem weißen Käppi vorne weg, seine Frau in einem ebenfalls grauen, langen Mantel und einem schwarzen Kopftuch hinterher. An ihrer Seite lief eine etwa 20-jährige Schönheit, in Jeans und Lederjacke, die jedoch ebenfalls ihre Haare züchtig unter einem bunten Seidentuch versteckt hatte. Sie schob einen Kinderwagen. Linda schloss die schwere Eingangstür auf, der Mann hinter ihr hatte unter der Jacke eine Pistole auf sie gerichtet. Es roch muffig in diesem Haus, nach hundert Jahren Kohleintopf und dem Ruß der Briketts, die Generationen von Frauen in ihre Wohnungen geschleppt hatten, nach der Asche aus den Kachelöfen, die die großen Wohnungen bis vor zehn Jahren heizten. Obwohl das Haus sowohl von außen als auch von innen vor einigen Jahren total saniert worden war, schien dieser Geruch hier genauso zu wohnen, wie die gute alte Lehmann aus dem ersten Stock. Linda ging durch den breiten Flur voran.
Der Terrazzoboden war durch einen breiten Riss gespalten, ein Souvenir an eine Berliner Bombennacht 1943. Rechts und links von dem Durchgang führte jeweils eine Treppe hinauf in die oberen Stockwerke. Linda ging zu der schweren Tür am Ende des Durchgangs, die sie nur mit Mühe öffnen konnte. Die Männer folgten ihr. Sie überquerte den gepflegten Innenhof, vorbei an den Müllkästen, die in blau, gelb und grün im Schein der Hoflampe leuchteten. Sie öffnete die Tür zu dem linken Hinterhaus, wobei es nur dieses eine Hinterhaus gab, das rechte Hinterhaus war 1945 ausgebrannt und nach dem Krieg abgerissen worden. Sie stiegen eine schmale Wendeltreppe hinauf in den ersten Stock. Die drei Männer schubsten Linda in die kleine Hinterhofwohnung, Stube und Küche, wie es früher in Berlin hieß. Immerhin hatte die Wohnung schon ein Bad.
„Das seien Tresorraum?“, fragte der Albino. „Du mich verarschen?“
„Nein, aber von hier aus kommen wir in den Keller“, sagte sie. Sie führte die Männer in die Küche, an die sich eine Speisekammer anschloss. Unter dem Linoleum, mit dem sie ausgelegt war, gab es eine Falltür. Linda
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