Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
bückte sich, hob das Linoleum hoch und zeigte auf die Tür.
„Wenn einer der Herren so nett wäre, man braucht etwas Kraft dazu. Und die Kombination von dem Schloss. Geben Sie bitte 0815 ein.“ Der Mann mit den unscheinbaren Gesichtszügen machte sich an der Falltür zu schaffen.
„Man muss die Leiter ausziehen“, sagte Linda. Sie stieg als Erste hinab, vorbei an dem Luftschacht, durch den der Tresorraum klimatisiert und belüftet wurde. Die Männer folgten ihr. Sie liefen geduckt durch einen niedrigen Gang und kamen zu einer dicken Stahltür.
„Das hier ist unser Tresorraum, der ehemalige Luftschutzkeller“, sagte sie. Auch an der Stahltür gab es ein Zahlenschloss. Außerdem brauchte man zwei Schlüssel, die Linda alle an ihrem Schlüsselbund hatte. Sie stellte an der alten Tresortür den zwölfstelligen Zahlencode ein und bat erneut um ihre Schlüssel. Linda öffnete die schwere Stahltür und schaltete das Licht an. Sie sah, wie sich die drei Männer staunend in den Raum drängten. Es war nicht so, dass ihnen hier purer Luxus entgegenblickte. Der Raum war gut ausgeleuchtet. Decken und Wände waren mit Marmor ausgekleidet. Die Decke war mit schweren stahlummantelten Pfeilern abgestützt. Hier roch es weder nach Ruß noch nach Kohleintopf, hier roch es nach gar nichts. Die Klimaanlage tat ihren Dienst. In der Mitte des Raumes standen einige Sessel aus schwarzem Leder. An den Wänden hingen die Bilder, die Lindas Großvater, Vater und Bruder gesammelt hatten. Allerdings waren die Bilder in Plexiglaskästen verschlossen, um sie vor Licht und Schaden zu bewahren. Die Männer hatten keinen Blick für die Gemälde.
„Wo ist es?“, fragte der Blonde.
„Wenn ich es Ihnen gebe, lassen Sie mich am Leben?“, fragte Linda.
„Quatsch nich, her damit“, sagte der Albino. Wahrscheinlich war er der Einzige, der Deutsch sprach.
„Und wenn ich Ihnen alles gebe, was ich besitze, auch Bargeld, was dann, lassen Sie mich leben? Ich kann doch keinen Schaden mehr anrichten!“ Linda hörte, wie die Männer sich auf Polnisch unterhielten.
„Geben her, wo ist?“, fragte der Kerl.
„Erst will ich wissen, ob Sie mich am Leben lassen“, sagte Linda.
„Du mir wollen Geld geben?“, fragte er. „Wie viel?“
Linda dachte nach.
„Ich gebe Ihnen meine Kreditkarten und alle Bankkarten und alle Geheimnummern. Und ich verspreche Ihnen, ich verschwinde aus Berlin und man wird nie wieder etwas von mir hören“, sagte sie.
Die Männer diskutierten wieder. „Wir alles wollen.“
„Und welche Garantie habe ich?“, fragte Linda.
„Garantie forn Arsch“, sagte der Blonde. Linda nickte. So war das wohl. Nun gut, sie würde es versuchen. Sie ging zu dem Renoir. Hier hatte sie die sehr schmale Akte, die nicht mehr enthielt als ein paar Detailfotos, Behandlungsmethode, Abkürzungen und Initialen, hinter dem Bilderrahmen versteckt. Linda öffnete den Sicherheitsverschluss des Bildertresors.
„Bitte schön, das ist es, was Sie suchen“, sagte sie.
„Lady, Brieftasche!“, sagte der Blonde.
„Die ist zusammen mit meiner Handtasche noch im Auto“, sagte Linda. „Dann Geheimzahlen, alle!“ Er zog einen zerknautschten Zettel aus der Tasche und fragte seinen Kumpel nach einem Stift. Linda setzte sich auf einen der Stühle und fing an zu schreiben. Sie hatte ein gutes Gedächtnis für Zahlen, aber alles konnte sie sich auch nicht merken.
„Sie schreiben Geheimnummern auf. Wehe, nicht stimmen. Wir kommen wieder. Also, besser richtige Nummern, Lady.“
Sie würden sie hier unten zunächst einmal leben lassen. Das gab ihr einen kleinen Aufschub. Ob die Herren wiederkommen würden? Sie glaubte es nicht. Aber sie würden ihr erst mal nichts tun. Linda war ein wenig erleichtert, sie hatte nur Angst vor Schmerzen. Mühsam versuchte sie sich an alle Nummern zu erinnern. Mit zitternden Händen schrieb sie die Zahlenkolonnen auf den zerknautschten Zettel.
„Ich glaube, das stimmt so“, sagte sie, nachdem sie alles noch mal überprüft hatte. Sie hatte die PIN der Visakarte nicht aufgeschrieben, sie wollte, dass die Kerle noch mal wiederkamen.
Die Männer nahmen ihr die Schlüssel ab und schlossen sie in dem Raum ein. Linda atmete tief durch. Okay, dachte sie, ich bin hier zwar gefangen, aber ich habe zumindest Luft. Jetzt muss ich auf ein Wunder hoffen, es bleiben mir aber bestimmt noch ein paar Stunden. Sie zog sich einen zweiten Stuhl heran, auf den sie ihre Beine platzierte. Sie musste nachdenken. Ob und wie sie hier
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