Tai-Pan
Die Gittertür schloß sich hinter ihm.
Scragger stieg an Deck. Bei Gott, dachte er, und vor Zorn kamen ihm fast die Tränen. Bei Gott, jetzt reicht es mir. Ich werde es diesem versumpften Enten-Hurenbock, diesem Heiden, heimzahlen, bei Gott, und ob ich es tun werde! Aber erst nachdem die Männer ausgesucht sind. O nein, vorher nicht. Vorher wage ich es nicht, bei Gott, denn das würde alles verderben.
Aber danach, wahrhaftig, danach …
11
Die China Cloud jagte durch den heftigen Regen an der Südküste der Insel Hongkong entlang, unterwegs zu dem Haupthafen an der Nordseite.
Die Struans aßen in der Hauptkajüte zu Abend: es gab geschmorte Austern, geräucherte Würste, Lachs, gekochten Kohl mit Speck, kalte Brathühner, Schiffszwieback und Auflauf mit Äpfeln und eingelegtem Obst. Dazu einen trockenen, von der See gekühlten Weißwein, Champagner und Tee.
»Vierzig Lac – vier Münzen«, sagte Robb und stocherte in seinem Essen herum. »Die eine ging an Wu Fang Tschoi. Wer hat die anderen drei?«
»Jin-kwa hat bestimmt eine behalten. Vielleicht zwei«, sagte Struan. Er griff über den Tisch hinweg und legte sich noch einmal Lachs auf.
»Wir haben uns zu einer grenzenlosen Gefälligkeit verpflichtet«, sagte Robb. »Jede Gefälligkeit ist diesen Teufeln zehn Lac wert. Mit einem Klipper wie der China Cloud lassen sich sogar Fregatten plündern. Auf diese Weise könnte man die Seewege des ganzen Empire in Asien abschneiden. Ein Schiff – und zehn Mann, die gelernt haben, weitere Schiffe zu bauen. Neunzehn Mann als Kapitäne ausgebildet – um noch mehr auszubilden. Uns sind die Hände gebunden, und unsere ganze Zukunft ist verpfändet. Entsetzlich.«
»Jin-kwa hat dich betrogen. Er hat dich betrogen«, sagte Culum.
»Nein. Er hat mich übers Ohr gehauen, das wohl, aber nicht einmal das trifft den Kern der Sache. Ich war nicht gerissen genug. Ich, mein Junge! Nicht er. Wenn man sich an einen Tisch setzt, um ein Geschäft auszuhandeln, ist jede Seite verpflichtet, das Bestmögliche herauszuschinden. Eine ganz einfache Sache. Tja, ich war schwächer als er, das ist die ganze Geschichte. Aber selbst wenn ich daran gedacht hätte, daß die Münzen an andere Leute weitergegeben werden, dann hätte ich diesen Handel trotzdem so abschließen müssen, wie er gewollt hat. Denn uns blieb überhaupt keine andere Wahl.«
»Wenn du dich übers Ohr hauen läßt, Dirk, welche Chancen bleiben mir dann noch? Und Culum?«
»Nicht die geringsten. Es sei denn, ihr seid bereit, selber zu denken und aus den Fehlern anderer zu lernen. Und außerdem dürft ihr die Chinesen nicht wie einen von uns behandeln. Sie sind anders.«
»Ja, das sind sie«, rief Culum. »Gemeine, widerliche Heiden. Außerdem ist es unmöglich, den einen vom anderen zu unterscheiden.«
»Ich bin da anderer Meinung. Ich wollte damit nur sagen, daß sie anders denken als wir«, erklärte Struan.
»Wie geht man also mit ihnen um, Vater?«
»Wenn ich das wüßte, dann täte ich jedesmal das Richtige. Sie haben ganz einfach eine Erfahrung von fünftausend Jahren, das ist alles. Nun sei so gut und gib mir mal die Austern rüber.«
Culum reichte ihm die Schüssel, und Struan legte sich eine dritte Portion auf.
»Du scheinst gar nicht beunruhigt zu sein, Dirk«, sagte Robb. »Das könnte uns ruinieren. Es könnte den Handel mit Asien untergraben.«
»Du ißt ja nichts, Robb. Auch du sollst essen, Culum.« Struan riß ein Hühnerbein ab und legte es sich auf den Teller. »Die Situation ist keineswegs so trostlos. Zunächst einmal die neunzehn Mann: Gewiß, sie werden für Wu Fang Tschoi und sein Gesindel Spitzeldienste leisten. Aber damit wir ihnen etwas beibringen können, müssen sie Englisch lernen, nicht wahr? Und wenn wir mit ihnen reden können, warum sollen wir sie dann nicht auch verändern? Warum sollen wir sie nicht aus Piraten zu nützlichen Bürgern machen? Vielleicht sogar zu Christen? Neunzehnmal die Chance, sie auf unsere Seite zu ziehen. Gar kein so schlechter Einsatz, meine ich. Und sind sie auf unserer Seite – oder auch nur einer von ihnen –, dann wissen wir auch, wo sich die Schlupfwinkel der Piraten befinden. Dann haben wir sie in unser Hand und können sie nach Belieben vernichten. Zweitens, der Klipper: Heute in einem Jahr wird eben ein Seegefecht stattfinden, das ist alles. Ich werde das Schiff übergeben und dann versenken. Ich habe nicht versprochen, daß ich's nicht versenke.«
»Warum übergibst du es denn nicht angefüllt
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