Tai-Pan
habe Musketen ausgegeben. Ich habe versucht, ein Geschütz in Stellung zu bringen, aber die Schlagseite des Schiffes hat es verhindert. Wir haben uns, so gut wir können, vorbereitet. Für den Fall, daß es Piraten sind.
18. November. Acht Uhr. Überrannt. Piraten. Haben die erste Welle getötet, aber sie sind schon hier.«
Struan klappte das Buch zu. »Sie haben sie alle umgebracht?«
»Die Dschunken haben nicht unserer regulären Flotte angehört, Kamerad. Zumindest die meisten nicht.«
»Sie haben sie alle umgebracht?«
»Sie haben sich selber umgebracht, Tai-Pan. Ich war nicht da.«
»Sie wissen doch, wie manche von diesen Lumpen sind, Tai-Pan«, sagte Scragger. »Wenn es Wu Fang Tschois Leute gewesen wären, würde er Ihnen dann das Logbuch geben? Wu Fang Tschoi erhielt Nachricht davon. Er schickte mich hin, um mir die Sache anzusehen. Als ich hinkam, waren keine Männer an Bord. Auch keine Leichen. Keine.«
»Haben Sie das Schiff geplündert?«
»Sie kennen doch das Gesetz des Meeres, Tai-Pan. Das Schiff hat Schiffbruch erlitten und war verlassen. Die Hälfte der Ladung wurde geborgen. Sechzehn Geschütze und eine Menge Pulver und Blei.«
»Wo ist das Chronometer?«
Scragger zog die Augenbrauen hoch. »Natürlich an Bord meiner Dschunke. Nicht, daß ich damit umgehen könnte. Noch nicht. Wer findet, behält, he? Ist doch in Ordnung, was? Aber wissen Sie, Tai-Pan, wissen Sie, was diese gottverdammten Lumpen gemacht haben? Sie haben es ablaufen lassen. Stellen Sie sich das vor! Wirklich wahr. Haben es ablaufen lassen. Wir haben Wochen gebraucht, um einen Kauffahrer mit der Londoner Zeit zu finden. Einen Amerikaner, die Boston Skylark.« Er lachte in der Erinnerung in sich hinein und fügte dann hinzu: »Vier von den Männern der Boston Skylark haben sich dafür entschieden, bei uns zu bleiben.«
»Und die übrigen?«
»Die haben wir vor den Philippinen abgesetzt. Nahe der Küste. Ich schwöre es Ihnen. Vor etwa drei, vier Wochen.«
Wu Kwok rutschte auf den Kissen herum und kratzte sich bedächtig. »Zum Schluß, Tai-Pan, hat mein Vater gesagt: ›Zehn Taels für ein Schiff ist nicht viel für ungehinderte Fahrt. Zehn Taels für ein Schiff, und die englische Flagge wird von Wu Fang Tschoi geschützt‹. Wie wir hörten, haben Sie jetzt einen neuen Liegeplatz vor Hongkong. Sie können es Ihrem Mandarin auszahlen.«
»Vielleicht würde ich ihm einen Tael zahlen.«
»Sechs wäre das wenigste. Das wenigste. Das hat mein Vater gesagt, denn er weiß, daß Sie ein zäher Händler sind. Sechs.«
»Einen.«
»Setzen Sie sich. Wir trinken noch mehr Rum und lassen uns noch mehr Essen kommen«, sagte Wu Kwok.
»In fünf Minuten wird dieses Schiff in Grund und Boden geschossen, und die Geisel hängt.«
Wu Kwok rülpste. »Sie hängen nicht meinen Sohn auf, Kamerad.«
»Natürlich nicht«, erwiderte Struan verächtlich. »Nur einen armen, aufgeputzten Burschen.«
Wu Kwok lachte in sich hinein und trank einen großen Schluck. »Sind wirklich sehr schlau, Tai-Pan. Also zwei Taels für ein Schiff. Zahlen Sie es an Ihren Mandarin, verstanden? Und ich sage Ihnen noch was. Behalten Sie den Burschen – hängen Sie ihn auf, werfen Sie ihn ins Meer – er gehört Ihnen. Oder bringen Sie ihn zu uns an Bord zurück, und ich hänge ihn für Sie auf.«
»Was?« stieß Scragger hervor. »Der Bursche ist nicht Ihr Sohn?«
»Natürlich nicht, Scragger. Halten Sie mich denn für einen Idioten?« rief Struan schroff. »Ich kenne doch den Wert eines Eides, den solch ein Gesindel einem leistet.« Damit ging er hinaus.
»Aber es war Ihr Eid und der meine«, rief Scragger und sah Wu Kwok entsetzt an. »Wir haben ihm unser Wort gegeben. Sie haben gesagt, es sei Ihr Sohn. Das haben Sie mir gesagt, bei Gott.«
»Der Tai-Pan hätte seinen Sohn niemals zu uns an Bord geschickt – warum sollte ich den meinen zu ihm an Bord schicken?«
»Aber ich habe ihm mein Wort drauf gegeben, bei Gott. Das ist Betrug!«
Wu Kwok erhob sich sehr langsam. »Nennst du mich einen Betrüger, Kamerad?«
»Nein, Herr, nein«, rief Scragger hastig und versuchte, sich den blinden Zorn, der in ihm aufwallte, nicht anmerken zu lassen. »Aber es war eben mein Eid. Wir halten unsere Eide. Das war nicht anständig von uns gehandelt, was wir da getan haben. Nicht anständig. Das ist alles.«
Wu Kwok schüttelte träge den Kopf, als er sich in sein Schlafquartier zurückzog. »Barbaren sind schon recht seltsame Leute, Kamerad. Wirklich recht seltsam.«
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