Tai-Pan
und dem Vandiemensland auf Strand gesetzt, zum Kielholen – zweitausend Meilen von ihrem Kurs entfernt. Noch wahrscheinlicher lag sie auf dem Meeresgrund mit Opium für eine halbe Million Guineen im Bauch. Und dazu kam noch all das, was man als Händler zu tun gezwungen war, anderen Menschen und sogar Freunden gegenüber, allein um sich über Wasser zu halten, von Wohlstand noch gar nicht zu reden. Entsetzlich.
Er sah, wie Gordon Tschen das Langboot unverwandt anstarrte, und fragte sich, woran er wohl denke. Das Dasein eines Mischlings mußte furchtbar sein, dachte er. Ich glaube, daß er in Wirklichkeit den Tai-Pan haßt, obwohl er so tut, als sei's gerade umgekehrt. Ich täte es jedenfalls …
Gordon Tschen war mit seinen Gedanken beim Opium. Er segnete es. Ohne Opium gäbe es kein Hongkong – und Hongkong ist, so dachte er mit wilder Genugtuung, die großartigste Gelegenheit für mich, viel Geld zu verdienen, die beste, die ich mir nur wünschen kann, und das unglaublichste Stück Joss für China.
Gäbe es kein Opium, sagte er zu sich, gäbe es auch keinen Chinahandel. Gäbe es keinen Chinahandel, hätte der Tai-Pan auch niemals das Geld gehabt, meine Mutter aus dem Bordell freizukaufen, und ich wäre niemals geboren. Das Opium hat das Geld für das Haus hergeschafft, das Vater vor Jahren Mutter in Macao geschenkt hat. Es hat Geld hergeschafft für unser Essen und unsere Kleidung, für meine Schulausbildung, für meine englischsprechenden und für meine chinesischsprechenden Lehrer, so daß ich heute der am besten ausgebildete junge Mann hier im Osten bin.
Er streifte Horatio Sinclair, der mit gefurchter Stirn sich am Strand umsah, mit einem Blick. Plötzlich schoß Neid in ihm hoch, darüber, daß man Horatio nach England in die Schule geschickt hatte. Er selber war niemals in der Heimat gewesen.
Aber er drängte dieses Gefühl des Neides wieder zurück. Die Heimat kommt später dran, versicherte er sich zufrieden. In ein paar Jahren.
Wieder wandte er sich dem Langboot zu. Er vergötterte den Tai-Pan. Niemals hatte er Struan ›Vater‹ genannt und niemals dieser ihn mit ›mein Sohn‹ angeredet. Er hatte überhaupt nur zwanzig- oder dreißigmal in seinem Leben mit ihm gesprochen. Aber er versuchte, alles zu tun, damit dieser Vater sehr stolz auf ihn war. Insgeheim dachte er an ihn stets als ›Vater‹. Immer wieder segnete er ihn dafür, daß er seine Mutter als dritte Frau an Tschen Scheng verkauft hatte. Das war für mich ein riesiger Joss, dachte er.
Tschen Scheng war Kommissionär für Noble House und für Gordon Tschen fast ein Vater. Diese chinesischen Kommissionäre kauften und verkauften im Namen eines ausländischen Unternehmens. Jeder Posten, ob groß oder klein, ging durch die Hände dieses Kommissionärs. Es war üblich, daß er einen gewissen Prozentsatz aufschlug. Darin lag sein persönlicher Gewinn. Aber seine Einnahmen waren von dem Erfolg seines Hauses abhängig, und unbezahlt gebliebene Ware ging zu seinen Lasten. Er mußte also sehr vorsichtig und sehr geschickt vorgehen, wenn er reich werden wollte.
Ach, dachte Gordon Tschen, so reich zu sein wie Tschen Scheng! Oder noch besser, wie Jin-kwa, Tschen Schengs Onkel. Er lächelte vor sich hin, denn es machte ihm immer wieder Spaß, daß die Briten mit chinesischen Namen solche Schwierigkeiten hatten. Jin-kwas wirklicher Name war eigentlich Tschen-tse Jin Arn, aber sogar der Tai-Pan, der Tschen-tse Jin Arn seit fast dreißig Jahren kannte, konnte den Namen noch immer nicht aussprechen. So hatte ihm der Tai-Pan vor Jahren den Spitznamen ›Jin‹ gegeben. Das ›kwa‹ war nur eine Verballhornung eines chinesischen Wortes, das ›Herr‹ bedeutete.
Gordon Tschen wußte, daß die Chinesen nichts gegen ihre Spitznamen hatten. Sie amüsierten sich nur darüber, denn in ihren Augen waren diese Namen lediglich ein weiterer Beweis für den Mangel an Kultur bei den Barbaren. Er erinnerte sich, wie er vor Jahren als Kind Tschen-tse Jin Arn und Tschen Scheng heimlich durch ein Loch in der Gartenmauer beobachtet hatte, während sie Opium rauchten. Er hatte gehört, wie sie miteinander über Seine Exzellenz gelacht hatten: Die Mandarine in Kanton hatten nämlich Longstaff den Spitznamen ›Widerlicher Penis‹ angehängt – ein Scherz, der sich auf seinen Namen bezog –, und länger als ein Jahr waren die chinesischen Buchstaben für diese kantonesische Übersetzung bei offiziellen, an Longstaff gerichteten Schreiben verwendet worden – bis
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