Tai-Pan
Anspruch darauf. Die Sache ist nur die – nun ja, ich habe daran gedacht, sie zu heiraten. Aber Gorth gegenüber habe ich noch kein Wort davon erwähnt.« Culum hielt betreten inne und wischte sich die Stirn. Er war aus dem Gleichgewicht geraten durch die Plötzlichkeit, mit der der Tai-Pan die Dinge zur Sprache gebracht hatte, die ihn am meisten beschäftigten. Und obwohl er darüber hatte reden wollen, sollte seine Liebe nicht entweiht werden. Verflucht, dachte er, ich hätte mich darauf vorbereiten sollen, und er hörte sich selber weiterreden, unfähig, nun aufzuhören. »Aber ich glaube nicht, daß meine … meine Zuneigung zu Miss Brock im Augenblick irgend jemand etwas angeht. Es ist noch nichts ausgesprochen worden, und es gibt nichts … nun, was ich für Miss Brock empfinde, ist doch wohl meine eigene Angelegenheit.«
»Es ist mir klar, daß dies deine Ansicht ist«, antwortete Struan, »aber das bedeutet noch bei weitem nicht, daß du recht hast. Ist dir jemals der Gedanke gekommen, du könntest ausgenutzt werden?«
»Von Miss Brock?«
»Von Gorth. Und von Brock.«
»Und ist dir jemals der Gedanke gekommen, daß dein Haß ihnen gegenüber alle deine Urteile verfälscht?« Culum war wütend.
»Allerdings. Dieser Gedanke ist mir schon gekommen. Aber was ist mit dir, Culum? Hast du jemals daran gedacht, sie könnten dich ausnutzen?«
»Nehmen wir einmal an, du hättest recht. Nehmen wir einmal an, ich heiratete Miss Brock. Wäre das für dich geschäftlich nicht von Vorteil?«
Struan war froh, daß nun das Problem klar zutage lag. »Nein. Weil Gorth dich auffressen wird, wenn du Tai-Pan bist. Er wird alles nehmen, was wir haben, und dich vernichten – er selbst will Noble House bekommen.«
»Warum sollte er den Mann seiner Schwester vernichten wollen? Warum sollten wir nicht unsere Firmen miteinander verbinden – Brock und Struan? Ich mache das Geschäftliche, und er kümmert sich um die Schiffe.«
»Und wer ist dann Tai-Pan?«
»Das könnten wir gemeinsam sein – Gorth und ich.«
»Es kann nur einen Tai-Pan geben. Das ist der Sinn dieses Wortes. Es ist ein Gesetz.«
»Aber dein Gesetz ist nicht notwendigerweise mein Gesetz. Oder Gorths Gesetz. Wir können aus den Fehlern der anderen lernen. Wenn wir unsere Unternehmen miteinander verschmelzen, hätten wir davon riesige Vorteile.«
»Was sind Gorths Absichten?« Struan fragte sich, ob er in bezug auf Culum einen Fehler gemacht hatte. Die Tatsache, daß Culum von Tess bezaubert war, und sein Vertrauen zu Gorth würden das Mittel sein, um Noble House zu zerstören und Brock und Gorth alles in die Hand zu spielen, wonach sie verlangten. Nur noch drei Monate bleiben mir, dachte er. Dann reise ich nach England. Grundgütiger Gott! »Was will er?« fragte er.
»Wir haben niemals darüber gesprochen. Wir haben ganz allgemein über den Handel, die Schiffahrt und die einzelnen Gesellschaften geredet. Auch darüber, wie wir Frieden zwischen euch beiden stiften könnten. Aber eine Fusion wäre doch vorteilhaft, meinst du nicht?«
»Nicht mit diesen beiden. Du bist ihnen nicht gewachsen. Noch nicht.«
»Aber eines Tages bin ich's?«
»Vielleicht.« Struan zündete sich die Zigarre an. »Glaubst du wirklich, du könntest Gorth im Zaum halten?«
»Möglicherweise wäre es gar nicht nötig, daß ich ihn im Zaum halte. So wenig wie er es nötig hätte, mich zu beherrschen. Nehmen wir einmal an, ich heiratete Miss Brock. Gorth hat sein Unternehmen, wir haben das unsere. Getrennt. Wir können trotzdem Konkurrenten bleiben. Aber freundschaftlich. Ohne jeden Haß.« Culums Stimme wurde schärfer. »Denken wir einen Augenblick mal wie ein Tai-Pan. Brock hat eine Tochter, die er liebt. Ich schmeichle mich bei ihr und Gorth ein, heirate sie und nehme dadurch Brocks Feindseligkeit mir gegenüber die Schärfe, während ich gleichzeitig Erfahrungen sammle. Dabei halte ich die Fusion der beiden Unternehmungen ständig als Köder hin. Dann kann ich, sobald ich bereit bin, mich auf sie stürzen. Eine ganz sichere und sehr einträgliche List. Zum Teufel mit dem Mädchen! Ich nutze es nur aus, zur größeren Ehre von Noble House.«
Struan erwiderte nichts.
»Hast du nicht diese Möglichkeiten ganz kühl und leidenschaftslos erwogen?« fuhr Culum fort. »Ich hatte ganz vergessen, daß du viel zu schlau bist, um nicht bemerkt zu haben, wie verliebt ich in sie bin.«
»Gewiß«, sagte Struan. Er klopfte die Asche von seiner Zigarre in den silbernen Aschenbecher. »Ich
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