Tai-Pan
Bierfaß, das an einer Wand lehnte, wieder füllte. Rechts und links davon standen Musketen und Enterhaken in Regalen aufgereiht. »Aber Sie werden schon bald Ihren Lohn erhalten, was, Dirk?« Brock deutete mit seinem breiten Daumen nach unten.
Struan griff zu dem großen kugelförmigen Kristallglas und atmete den Duft des Branntweins ein. »Wir alle werden unseren Lohn erhalten, Tyler.« Struan hielt sich den Branntwein dicht unter die Nase, damit er den Gestank im Raum nicht einzuatmen brauchte. Er fragte sich, obwohl Tess auch so stank wie ihr Vater und ihre Mutter und ob Brock den Grund für seinen Besuch ahnte. Die Fenster waren fest geschlossen, damit weder die Nachtluft noch das ungeheure Brausen vom Platz unten eindringen konnten.
Brock brummte, hob den vollen Krug und trank durstig. Er trug seinen üblichen Gehrock aus Wollstoff, dickes Unterzeug, ein hochgebundenes Halstuch und eine Weste. Mit kalten, harten Augen musterte er Struan. In seinem leichten Hemd, der weißen Hose und den Halbstiefeln wirkte dieser trotz der Hitze kühl und frisch; der Kerzenschein spielte über die rotgoldenen Haare auf seinem gewaltigen Brustkorb. »Sehen schon richtig nackt aus, Mensch. Richtig widerlich.«
»Das ist die kommende Mode, Tyler. Gesundheit!« Struan hob sein Glas, und sie tranken.
»Da wir gerade vom Teufel reden, ich hab' gehört, daß Maureen Quance unseren guten alten Aristoteles stärker zusammengestaucht hat, als es eigentlich erlaubt is'. Man erzählt sich, daß sie schon mit der nächsten Ebbe nach Hause auslaufen.«
»Er wird ihr schon entkommen, oder er schneidet sich lieber die Kehle durch.«
Brock lachte. »Wie sie da auf dem Ball plötzlich angerauscht kam! Mensch, hab' ich gelacht – so hab' ich nich' mehr gelacht, seitdem meine Alte mit ihren Titten in die Mangel geraten ist.« Er machte eine Handbewegung, und der Diener ging hinaus. »Wie ich gehört habe, sind alle Schiffe weg.«
»Ja. War eine großartige Saison, was?«
»Kann man wohl sagen. Und wird noch besser, wenn die Blue Witch als erste in London anlegt. Soll einen Tag Vorsprung haben.« Brock trank einen großen Schluck Bier und begann noch mehr zu schwitzen. »Jeff Cooper hat gesagt, sein letztes Schiff is' ausgelaufen, also liegt nichts mehr vor der Insel Whampoa.«
»Werden Sie in Kanton bleiben?«
Brock schüttelte den Kopf. »Brechen morgen auf. Nach Queen's Town; dann Macao. Aber wir lassen den Betrieb hier weitergehen, nich' so wie früher.«
»Longstaff bleibt. Wahrscheinlich werden die Verhandlungen weitergeführt.« Struan verspürte eine gewisse Spannung, und seine Unruhe nahm zu.
»Sie wissen doch, daß hier nischt abgeschlossen werden wird.« Brock spielte an seiner Augenbinde herum. Er hatte sie abgehoben und rieb sich die schlecht vernarbte Augenhöhle. Die Schnur, die seit Jahren die Binde über seinem Auge festhielt, hatte eine gerade rote Linie in seine Stirn geschnitten. »Gorth hat gesagt, daß Robbs Kleinste mit Fieber liegt.«
»Ja. Wahrscheinlich hat er es von Culum erfahren?«
»Ja.« Brock war die Schärfe in Struans Stimme nicht entgangen. Er trank noch einen großen Schluck Bier und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum aus dem Bart. »Tut mir leid, so was zu hören. Böser Joss.« Wieder trank er. »Ihr Junge und meiner sind genau wie alte Bordkameraden.«
»Ich bin froh, wenn ich erst wieder auf Schiffsplanken stehe.« Struan hatte den Spott überhört. »Gestern nachmittag hatte ich eine lange Unterredung mit Jin-kwa. Über das Fieber. Soviel er weiß, haben sie es niemals in Kuangtung gehabt.«
»Wenn es die Malaria wirklich is', haben wir uns ein schönes Päckchen Sorgen eingehandelt.« Brock streckte die Hand aus und nahm sich eine Hühnerbrust. »Greifen Sie doch zu. Wie ich höre, sind die Löhne für Kulis gestiegen. In Hongkong schießen die Preise fürchterlich in die Höhe.«
»Kann uns noch immer nicht weh tun. Das ändert sich, sobald das Fieber erloschen ist.«
Brock rückte mühsam seinen Gürtel zurecht und leerte seinen Krug. »Wollten mich doch sprechen, sozusagen privat? Doch nich' wegen dem Fieber?«
»Nein«, antwortete Struan und fühlte sich von dem Gestank, dem Parfüm, das Brock benutzte, und dem Geruch abgestandenen Biers angewidert. »Es handelt sich um ein altes Versprechen von mir; daß ich Sie mir eines Tages mit der neunschwänzigen Katze kaufen werde.«
Brock griff nach der Glocke auf dem Tisch und läutete heftig. Der scharfe Klang wurde von den
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