Tai-Pan
wohl.«
Struan lockerte seinen linken Stiefel etwas, damit er bequemer saß, und lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück. Er schwieg absichtlich. »Fünfzig Prozent Beteiligung, das wäre eine Basis«, erklärte er schließlich.
»Alles oder nichts.«
»Vielleicht sollte ich Sie an die Luft setzen und einen Strich drunter machen.«
»Vielleicht sollten Sie das. Ihr Vermögen ist groß genug. Das können Sie und die Ihren gar nicht kleinkriegen. Und jetzt frage ich Sie, wieviel Ihnen an Hongkong – und an Englands Zukunft liegt. Ich glaube, ich habe einen Schlüssel.«
Struan schenkte sich noch etwas Whisky ein und füllte auch Skinners Glas.
»Abgemacht. Alles oder nichts. Wollen Sie mir noch bei einem kleinen Nachtmahl Gesellschaft leisten? Ich bin hungrig.«
»Na und ob! Danke. Reden macht Hunger. Herzlichsten Dank.«
Struan läutete mit der Glocke und segnete seinen Joss, daß er sich auf diese Wette eingelassen hatte. Lim Din erschien, und er bestellte etwas zu essen.
Skinner soff den Whisky in sich hinein und dankte seinem Gott, daß er den Tai-Pan richtig eingeschätzt hatte. »Sie werden es nicht bereuen, Tai-Pan. Und nun hören Sie mir mal einen Augenblick zu. Daß Longstaff gehen muß – ich weiß, Sie sind mit ihm befreundet, aber jetzt reden wir hier von Politik –, ist für Hongkong ein Mordsglück! Zunächst einmal ist er von feiner Familie, zweitens ein Whig und drittens ein Idiot. Sir Clyde Whalen ist erstens der Sohn eines kleinen Landedelmannes, zweitens kein Idiot und drittens ein Mann der Tat. Viertens: er kennt Indien – hat dreißig Jahre im Dienst der Ostindischen Kompanie verbracht. Davor war er bei der Royal Navy. Und schließlich und endlich, aber das ist der springende Punkt, muß er, davon bin ich fest überzeugt, obwohl nach außen ein Whig, insgeheim Cunnington und die gegenwärtige Regierung hassen und bereit sein, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um ihren Sturz herbeizuführen.«
»Warum?«
»Er ist Ire. Cunnington war in den letzten fünfzehn Jahren der eifrigste Verfechter der Gesetzgebung für Irland; er ist – so glauben alle Iren – für unsere katastrophale irische Politik unmittelbar verantwortlich. Und hier wäre der Schlüssel für Whalen – wenn wir nur eine Möglichkeit finden, uns dieses Schlüssels zu bedienen.« Skinner kaute an seinem tintenverfärbten Daumennagel.
Lim Din und ein weiterer Diener kehrten mit Schüsseln und Platten zurück, beladen mit kaltem Fleisch, sauer eingelegten Würsten, kandierten Früchten, kalten Pasteten und Aufläufen, mit riesigen Krügen gekühlten Biers und Champagner in einem Eiskübel.
Skinner lächelte vor seliger Gier. »Der eines Fabrikbesitzers würdige Abendschmaus!«
»Eines Verlegers und Zeitungseigentümers würdig! Greifen Sie zu!« In Struans Kopf jagten die Gedanken einander. Wie sollte man Whalen herumbekommen? Würden die Whigs tatsächlich die Macht verlieren? Sollte ich mich mit meiner Macht nun hinter die Konservativen stellen? Soll ich aufhören, Männer wie Crosse zu unterstützen? Inzwischen wird man in England wissen, daß Noble House noch immer Noble House ist und stärker denn je. Kann ich auf Sir Robert Peel setzen?
»Wenn Sie die Meldung veröffentlichen, werden alle von Panik ergriffen«, sagte er und setzte damit zum entscheidenden Schlag an.
»Ja, Mr. Struan. Wenn ich nicht so sehr dagegen wäre, Hongkong fallenzulassen, so müßte ich doch immer an die Zukunft meiner Zeitung denken.« Skinner schob sich wieder ein paar Bissen in den Mund und redete kauend weiter. »Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Nachricht zu servieren. Das macht ja die journalistische Arbeit auch so spannend.« Er lachte auf, und dabei lief ihm etwas Soße übers Kinn. »O ja – ich muß an die Zukunft meiner Zeitung denken.« Er wandte seine volle Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu und aß mit gewaltigem Appetit.
Struan nahm, in Gedanken verloren, nur wenig. Als endlich auch Skinner gesättigt war, stand er auf und dankte ihm für seine Informationen und Ratschläge.
»Ich benachrichtige Sie noch persönlich, bevor ich die Meldung veröffentliche«, sagte Skinner gewichtig. »Es wird noch ein paar Tage dauern. Ich brauche Zeit zum Planen. Ich danke Ihnen, Tai-Pan.« Damit ging er.
Struan begab sich nach unten. May-may warf sich im Schlaf noch immer unruhig hin und her. Er ließ sich in ihrer Kammer eine Koje herrichten und versank in Halbschlaf.
Gegen Morgen begann May-may zu frösteln. In
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