Tai-Pan
schritt er langsam zum Fenster, die Finger um das Kruzifix geschlossen, und blickte in die aufgehende Sonne. Tief unten in der Bucht sah er die China Cloud liegen, umgeben von einem Schwarm von Sampans. Welch zwingender Grund, so fragte er sich, führt den Tai-Pan von Noble House zu mir? Das ist der Feind, den ich so gut kenne, und dem ich noch niemals begegnet bin. »Ich danke Ihnen, daß Sie mich geweckt haben. Dieser Sonnenaufgang ist unvorstellbar schön.«
»Sie haben recht.«
Beide Männer legten eine Höflichkeit an den Tag, die keiner von ihnen empfand. In den Augen des Bischofs repräsentierte Struan die materialistischen, bösen, fanatischen, protestantischen Engländer, die die Gesetze Gottes gebrochen und – wofür ihnen die ewige Verdammnis gewiß war – den Papst verleugnet hatten wie die Juden Christus; dieser Mann war ihr Führer und derjenige, der, fast ganz auf sich allein gestellt, Macao vernichtet hatte – und mit Macao die Herrschaft der Katholiken über die asiatischen Heiden.
Für Struan wiederum vertrat der Bischof all das, was er bei den Katholiken verachtete – den dogmatischen Fanatismus sich selbst entmannender, machtlüsterner Männer, die im Namen eines katholischen Gottes Reichtümer von den Armen erpreßten und mit den Scherflein der Ärmsten gewaltige Kathedralen zum Ruhme ihrer Vorstellung vom Göttlichen errichteten, Männer, die wie Götzendiener in Rom einen Mann als Papst eingesetzt und ihn zum Richter über andere Menschen erhoben hatten.
Livrierte Diener trugen in feierlichem Ernst silbernes Geschirr, heiße Schokolade, federleichte Hörnchen, frische Butter und das süße Gelee aus kleinfrüchtigen Goldorangen auf, für das das Kloster berühmt war.
Der Bischof betete, und das Latein des Tischgebets steigerte Struans Unbehagen noch, aber er sagte nichts. Beide Männer aßen schweigend. Die Glocken der vielen Kirchen läuteten zur Morgenmesse; aus der Kathedrale drang durch die Stille dumpf die Litanei der Mönche.
Nach der Schokolade gab es Kaffee aus dem portugiesischen Brasilien: heiß, süß und köstlich.
Auf eine Handbewegung des Bischofs hin öffnete ein Diener ein mit Juwelen besetztes Zigarrenkästchen und bot es Struan an. »Sie sind aus Havanna, wenn Sie sich bedienen wollen. Nach dem Frühstück genieße ich gern Sir Walter Raleighs ›Geschenk‹ an die Menschheit.«
»Ich danke Ihnen.« Struan nahm sich eine Zigarre. Die Diener gaben ihnen Feuer und gingen auf ein Zeichen des Bischofs hinaus.
Der Bischof blickte dem aufsteigenden Rauch nach. »Warum will der Tai-Pan von Noble House meine Hilfe in Anspruch nehmen? Die Hilfe der Papisten?« fügte er mit einem ironischen Lächeln hinzu.
»Sie dürfen mir glauben, Eminenz, daß ich es nicht leichten Herzens getan habe. Haben Sie jemals von der Cinchonarinde gehört? Von der Jesuitenrinde?«
»Ach so. Sie haben Malaria. Das Happy-Valley-Fieber«, sagte der Bischof leise.
»Ich muß Sie leider enttäuschen. Nein, ich habe keine Malaria. Aber ein Mensch, den ich sehr liebe, hat das Fieber. Kann man mit Cinchona die Malaria heilen?«
Der Bischof spielte mit dem großen Ring an seinem Mittelfinger, dann berührte er sein Kruzifix. »Ja. Wenn die Malaria des Happy Valley die gleiche ist wie die Malaria, die es in Südamerika gibt.« Seine Augen richteten sich durchdringend auf Struan; der empfand ihre Kraft, erwiderte jedoch den Blick ebenso unbeugsam. »Ich bin vor vielen Jahren als Missionar in Brasilien tätig gewesen. Dort habe ich Malaria bekommen. Aber die Cinchona hat mich geheilt.«
»Haben Sie Cinchona hier? In Macao?«
Es folgte ein Schweigen, das nur von dem Klopfen der Fingernägel auf dem Kruzifix unterbrochen wurde. Es erinnerte Struan an das Klopfen des chinesischen Arztes auf May-mays Handgelenk. Er fragte sich, ob er, was den Bischof betraf, die richtige Entscheidung getroffen hatte.
»Ich weiß es nicht, Senhor Struan.«
»Wenn Cinchona unsere Malaria heilen kann – ich bin bereit zu zahlen. Wollen Sie Geld? Wollen Sie Macht? Sie können beides haben. Verlangen Sie meine Seele, und Sie bekommen sie auch. Ich will mich sogar mit Freuden zum Katholizismus bekehren lassen, obwohl es nicht viel Sinn hätte, das wissen Sie so gut wie ich. Was immer Sie wollen, ich bin bereit, es Ihnen zu geben, wenn es mir möglich ist. Aber dafür möchte ich etwas von dieser Rinde. Ich möchte einen Menschen vom Fieber heilen. Nennen Sie mir Ihren Preis.«
»Für einen, der als Bittsteller kommt, ist
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