Tai-Pan
ist.«
»Schreiben Sie, was Sie wollen – aber lassen Sie mich und die Meinen aus dem Spiel.«
»Niemand wird es glauben, wenn er nicht die Heilung mit eigenen Augen gesehen hat. Die Ärzte werden behaupten, es sei nichts weiter als dummes Gewäsch.«
»Lassen Sie sie. Ihre Patienten werden sterben. Schreiben Sie das ruhig!« Struan erklärte ihm rundheraus: »Ich glaube so sehr daran, daß ich allerhand Kapital darin investiere. Cooper und ich sind jetzt Partner im Cinchona-Geschäft. In sechs Monaten haben wir bereits Vorräte.«
»Darf ich das drucken?« Struan lachte kurz auf. »Wäre es ein Geheimnis, hätte ich Ihnen nicht davon gesprochen.«
Auf der Queen's Road fiel Struan die nächtliche Hitze an. Der Mond stand hoch und verschwommen an einem fast völlig bedeckten Himmel. Aber noch wies er keinen Hof auf.
Struan ging die Straße entlang bis zum Marinearsenal. Dort bog er vom Ufer ab und folgte einer schäbigen Straße mit vielen Schlaglöchern. Schließlich stieg er ein paar Stufen hinauf und betrat ein Haus.
»Was sehen meine Augen«, rief Mrs. Fortheringill und verzog den Mund mit den falschen Zähnen zu einem grotesken Lächeln. Sie saß in der Diele und aß zu Abend – Bückling, dunkles Brot und einen Krug Ale. »Meine Damen«, rief sie und läutete mit einer Glocke, die an ihrem Gürtel hing. »Nichts ist so gut wie ein bißchen tolles Treiben in einer heißen Nacht, sage ich immer.« Sie bemerkte, daß Struan in Hemdsärmeln war. »Nur keine Zeit beim Ausziehen verlieren, Tai-Pan, nicht wahr?«
»Ich wollte nur jemanden besuchen – Ihren Pensionär.«
Sie lächelte süßlich. »Der alte Kerl ist länger geblieben, als mir lieb ist.«
Vier Mädchen kamen hereingeschlendert. Ihre wattierten wollenen Kimonos waren verschmutzt, sie stanken nach Parfüm und ranzigem Schweiß. Kaum zwanzig Jahre mochten sie alt sein – aber abgebrüht, grob und an das Leben, das sie führten, gewöhnt. Sie warteten darauf, daß sich Struan eine von ihnen aussuchte.
»Nelly ist die Richtige für Sie, Tai-Pan«, erklärte Mrs. Fortheringill. »Achtzehn, durch und durch gesund und kräftig.«
»Ich danke Ihnen, Madam.« Nelly machte einen Knicks, und ihre üppigen Brüste quollen aus dem Kimono hervor. Sie war dick und blond, mit uralten und kalten Augen. »Willst du mit mir kommen, Tai-Pan, Liebling?«
Struan gab jeder von ihnen eine Guinee und schickte sie weg. »Wo wohnt Mr. Quance?«
»Im zweiten Stockwerk hinten links. Das Blaue Zimmer.« Mrs. Fortheringill sah ihn über ihre Brille hinweg an. »Sind sehr schwere Zeiten, Tai-Pan. Ihr Mr. Quance frißt wie ein Scheunendrescher und flucht entsetzlich. Sehr schockierend für die jungen Damen. Seine Rechnung ist seit langem überfällig.«
»Wo bekommen Sie die Mädchen her?«
Ein harter Glanz trat in die Augen der alten Frau. »Wo ein Markt dafür ist, finden sich auch immer Damen ein, die ihn beliefern, nicht wahr? Aus England. Einige aus Australien. Wie es gerade trifft. Warum?«
»Wieviel kostet Sie eine?«
»Geschäftsgeheimnis, Tai-Pan. Sie haben die Ihren, wir haben die unseren.« Sie machte eine Kopfbewegung auf den Tisch zu und ging auf ein anderes Thema über. »Wollen Sie mit mir zu Abend essen? Diese Bücklinge lasse ich mir direkt von zu Hause kommen. Mit dem Postschiff dieser Woche eingetroffen.«
»Danke, aber ich habe schon gegessen.«
»Wer wird für die Rechnung des lieben Mr. Quance aufkommen?«
»Wie hoch ist sie denn?«
»Er hat die Abrechnung. Wie ich höre, ist Mrs. Quance sehr gegen ihn aufgebracht.«
»Ich werde die Frage der Abrechnung mit ihm besprechen.«
»Ihr Kredit ist niemals angezweifelt worden, Tai-Pan.«
»Ist eigentlich Gorths Mädchen gestorben?« fragte Struan unvermittelt.
Die alte Frau war wieder ein Musterbeispiel vornehmer Zurückhaltung. »Bitte? Ich verstehe nicht, was Sie meinen. In meinem Haus gibt es nichts, was zu vertuschen wäre!«
Plötzlich hielt Struan sein Messer in der Hand, und dessen Spitze berührte die welken Hautfalten an Mrs. Fortheringills Hals. »Nun?«
»Hier nicht. Sie wurde weggebracht. Du lieber Gott, lassen Sie mich doch …«
»Ist sie gestorben oder nicht?«
»Ich habe gehört, sie sei gestorben, aber damit habe ich nichts zu tun …«
»Wieviel hat Gorth gezahlt, damit Sie den Mund halten?«
»Zweihundert Guineen.«
»Was hat er mit dem Mädchen gemacht?«
»Ich weiß es nicht. Wirklich und wahrhaftig, so wahr mir Gott helfe! Ihre Verwandten haben sie abgeholt. Er hat
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