Tai-Pan
Spionagesystem auf. Stell fest, wer diese Männer sind, wer ihre Führer.«
»Sofort, Tai-Pan.«
»Drei Monate sollten für einen Mann mit deiner Klugheit genügen, die Führer ausfindig zu machen.«
»Sechs Monate«, antwortete Gordon Tschen ohne lange zu überlegen, während er verzweifelt über Möglichkeiten nachdachte, aus dieser Falle wieder herauszukommen. Dann hatte er einen Einfall. Natürlich. Sollten sich doch die Barbaren mit diesem tongfeindlichen Schildkrötenmistgesindel befassen. Unter diesen Leuten werden wir Spitzel anwerben, sie einer Unterzelle beitreten lassen und dafür sorgen, daß sie in einer vorgespiegelten Zeremonie aufgenommen und eingeweiht werden. Ausgezeichnet, wie weiter … Überlegen wir mal! Wir werden ihnen zu verstehen geben, daß der eigentliche Führer der Tongs … ja, wer denn nun ist? Ich werde mir, wenn die Zeit reif ist, einige Feinde aussuchen. Dann geben wir sie den Barbaren als die wirklichen Tongs an, und schon sind sie um einen Kopf kürzer. »Jawohl, Tai-Pan, ich werde mich sofort daranmachen.«
»Das solltest du unbedingt. Denn ich werde auf die eine oder andere Weise die Tongs zerschlagen.«
»Und ich werde Sie dabei bis zur Grenze meiner Möglichkeiten unterstützen«, erklärte Gordon eifrig. Zehn Köpfe müßten sogar dich zufriedenstellen, Tai-Pan, dachte er. Ein Jammer, daß Tschen Scheng zur Familie gehört, sonst würde er einen ausgezeichneten ›Führer der Tongs‹ abgeben. Mit einigem Glück könnte ich als nächster für den Posten eines Kommissionärs von Noble House in Frage kommen. Keine Sorge, Jin-kwa wird dir helfen, den richtigen Falschen zu finden. »Tai-Pan, nun zu wichtigeren Dingen. Was ist mit diesem Leitartikel? Ist Hongkong wirklich erledigt? Wir stehen in Gefahr, ein Vermögen zu verlieren. Es wäre eine Katastrophe, wenn wir die Insel nicht halten können.«
»Es gibt da sehr wohl einige Probleme, aber sie sind von untergeordneter Bedeutung und werden alle gelöst. Hongkongs Zukunft ist gesichert. Die jetzige Regierung wird bald abtreten. Keine Sorge. Noble House und Hongkong sind eins.«
Gordon Tschens Unruhe legte sich. »Wirklich? Kommt dieser Cunnington weg?«
»Ja – auf die eine oder andere Weise.«
Voller Bewunderung sah Gordon Tschen seinen Vater an. Aha, dachte er, unter Umständen sogar Mord. Ausgezeichnet. Zu gern hätte er dem Tai-Pan erzählt, daß er es gewesen war, der Gorth beseitigt und so sein Leben gerettet hatte. Aber das mußte bis zu einem wichtigeren Zeitpunkt warten, sagte er sich, und Genugtuung erfüllte ihn. »Ausgezeichnet, Tai-Pan. Sie haben mich außerordentlich beruhigt. Ich stimme Ihnen bei. Noble House und Hongkong sind wirklich eins.« Sind sie es nicht mehr, dann bist du ein Fisch auf dem Trockenen. Aber du tust gut daran, deinen Fuß niemals wieder aufs Festland zu setzen. Jedenfalls solange diese Tonggeschichte aufgerührt ist. Du bist auf Gedeih und Verderb mit Hongkong verbunden. Es ist dein Palast oder dein Grab. »Dann sollten wir am besten das Geschäft stark ausbauen und einen hohen Einsatz wagen. Ich werde alles tun, damit Hongkong sehr mächtig wird. Sie können sich auf mich verlassen! Ich danke Ihnen, Tai-Pan, Ihre Worte haben mich sehr beruhigt.«
»Meine Dame möchte mit dir sprechen. Geh bitte nach unten.«
»Ich gehe sofort. Und vielen Dank, daß Sie mich auf diese zwar lächerliche, aber doch gefährliche Angelegenheit aufmerksam gemacht haben.« Gordon Tschen verneigte sich und ging hinaus.
Struan hatte seinen Sohn sehr genau beobachtet. Ist er es nun oder ist er es nicht, fragte er sich. Seine Überraschung hätte sehr wohl echt sein können, und was er sagte, klang durchaus vernünftig. Ich weiß es nicht. Aber wenn es wirklich Gordon ist, mußt du sehr schlau vorgehen, um ihn zu fangen. Und was dann?
Struan traf Skinner im Druckereiraum der Oriental Times an. Dort war es erstickend heiß und sehr laut. Er beglückwünschte Skinner zu der Art und Weise, wie er die Angelegenheit veröffentlicht hatte.
»Nur keine Sorge, Tai-Pan«, erklärte Skinner. »Morgen kommt noch eine Fortsetzung.« Er reichte Struan den Probedruck. »Ich bin froh, wenn dieser verfluchte Sommer erst einmal vorbei ist.« Er trug seinen üblichen Gehrock aus feinem, schwarzem Wollstoff und dazu dicke Hosen, ebenfalls aus Wolle. Struan las den Artikel durch. Er war mit Beleidigungen und Spott gespickt und machte deutlich, daß sich alle Kaufleute zusammenschließen sollten, um dem Parlament keine Ruhe
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