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Taken

Taken

Titel: Taken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Bowman
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wieder ein.
    »Fair oder nicht, es stimmt trotzdem.«
    »Schön. Dann bring es mir bei«, gibt sie zurück.
    »Wirklich?«
    »Ja. Bring es mir bei, und dann schießen wir um die Wette.« Sie fährt herum und sieht mich an. Dort, wo ihre Kurven ihr Kleid berühren, hat es feuchte Flecken.
    »In Ordnung«, stimme ich ihr zu. »Fangen wir morgen an?«
    »Morgen.«
    Schweigend gehen wir nach Hause. Ich versuche mir einen Reim darauf zu machen, dass Emma so nett und so zum Scherzen aufgelegt ist. So gut haben wir beide uns zuletzt verstanden, als ich sechs war.
    »Das hat heute großen Spaß gemacht«, meine ich zu ihr, als wir uns dem Stadtrand nähern.
    »Ja«, pflichtet sie mir bei, »es war, als wäre man wieder ein Kind.«
    Wir nehmen eine Abkürzung durch eine Seitenstraße und gehen zum Krankenhaus. Vor uns sehe ich Maude und Clara, die vor dem Haus der Danner-Schwestern sitzen.
    »Nimm meine Hand, Emma.«
    »Was? Wieso?«
    »Nimm sie einfach.« Ehe sie Einwände erheben kann, strecke ich den Arm aus und fasse ihre Hand. Ihre Haut ist weich und zart, ganz anders als meine Hände, die vom Jagen mit Schwielen bedeckt sind. Ich verschränke die Finger mit ihren und drücke sie leicht, während wir weitergehen. Mein Herz macht einen leisen Satz. Als wir uns Maude nähern, beobachte ich, wie ihr Blick auf unseren verschlungenen Händen verweilt und werfe ihr im Vorübergehen ein verschlagenes Grinsen zu.

6. Kapitel
    Die nächste Woche vergeht wie im Flug. Vormittags jage ich, und die Nachmittage verbringe ich mit Emma, gebe ihr auf den leeren Feldern hinter den Viehweiden meine Kenntnisse im Bogenschießen weiter. Wir beginnen mit den Grundlagen: der Biegung des Bogens, der Form des Pfeils. Ich lehre sie, wie man den Bogen hält, wann man die Sehne loslässt, die richtige Position der Hände. Zwei Tage lang zappelt sie vor Ungeduld, weil ich mich weigere, sie schießen zu lassen, bevor sie nicht mit geschlossenen Augen einen Pfeil auflegen kann. Als sie dann schließlich ihren ersten Pfeil abschießt, geht er vollkommen daneben, aber nur, weil sie alles vergessen hat, was ich ihr beigebracht habe. Durch die Aufregung ist es ihr entfallen, und die Nervosität ist ihr auf die Muskeln geschlagen. Im Lauf der folgenden Tage wird sie besser, ihre Pfeile fliegen gerader, und sie zielt genauer.
    Obwohl ich glücklich darüber bin, so viel Zeit mit Emma zu verbringen, verfolgen mich die Worte aus dem Brief meiner Mutter noch immer. Ich stelle das Haus auf den Kopf und suche nach der kleinsten Spur. Ich lese Blaines Tagebuch von vorn bis hinten durch, aber es bringt nichts Neues ans Licht. Obwohl ich es versuche, kann ich den Brief nicht vergessen. Ich möchte wissen, welches Geheimnis Ma und Blaine hatten. So sehr, wie ich Luft zum Atmen brauche, sehne ich mich nach der Wahrheit. Es quält mich in meinem Unterbewusstsein.
    An einem heißen Nachmittag, als das Wetter feuchtwarm und stickig ist und mir wie mit böser Absicht die Lungen zusammenpresst, beschließe ich, dass es für Emma Zeit ist, auf ein richtiges Ziel zu schießen. Pfeile in ein offenes Feld fliegen zu lassen, ist gut und schön, aber ein Ziel zu treffen, dazu gehört noch mehr.
    Vorbei an den Feldern und Weiden gehen wir zum östlichen Teil der Stadt, unserem normalen Übungsgebiet. Ich stelle eine einfache Zielscheibe auf und reiche Emma ein paar Pfeile und meinen Kinderbogen – ich bin ihm längst entwachsen, und er passt besser zu ihrer Statur. Als ich mir den Köcher über den Rücken schlinge, höre ich etwas durch die Luft zischen und das dumpfe Geräusch, mit dem ein Pfeil in Gras einschlägt. Ich schaue zu Emma und sehe ihr enttäuschtes Gesicht.
    »Du überstürzt die Sache«, meine ich zu ihr. Der Pfeil hat sich in den weichen Boden vor dem Ziel eingegraben.
    Sie runzelt die Stirn. »Als wir nur geschossen haben und ich kein Ziel treffen musste, erschien es so einfach.«
    »Ohne Einschränkungen ist alles einfacher. Richte deinen Arm parallel zum Boden aus, während du ihn zurückziehst. Denk auch an deine Haltung.« Ich spanne meine Bogensehne, um es ihr zu zeigen. Sie versucht es mir nachzutun und scheitert kläglich. Ich unterdrücke ein Lachen.
    »Komm, ich zeige es dir.« Ich trete hinter sie, lege meine Hand über die ihre, die den Bogen hält, und schlinge den anderen Arm um sie, sodass ich ebenfalls die Sehne gefasst halte.
    »Jetzt konzentriere dich«, sage ich. »Auf der Welt existiert nichts als das Ziel.« Ich lasse die Arme sinken und

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