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Taken

Taken

Titel: Taken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Bowman
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Schriftrollen könnten auch unvollständig oder lückenhaft sein. Vielleicht haben sie das Beerdigen der Erwachsenen ausgelassen, weil es ihnen zu schwergefallen wäre, das niederzuschreiben.«
    »Ja, kann schon sein«, sagt sie, aber ich nehme den Zweifel in ihrer Stimme wahr. Emmas Fragen erinnern mich an Mas Brief und ihre Worte darüber, wie rätselhaft das Leben ist. Genau wie meine Mutter ist Emma besessen von Details, die unerklärlich sind.
    Ich nehme noch einen Schluck von dem Wasser. Es ist warm geworden, aber trotzdem ist es angenehm, mir die Lippen zu benetzen.
    »Und warum darf ich davon nichts weitererzählen?«, frage ich.
    »Du weißt doch, dass der Rat jedes Mal völlig außer sich gerät, wenn jemand behauptet, hinter der Mauer befände sich noch etwas anderes. Aber es muss einfach so sein. Sonst begreife ich nicht, woher diese ganzen Kinder gekommen sein sollen. Jedes Lebewesen im Inneren dieser Mauer hat eine Mutter. Und da es unwahrscheinlich ist, dass bei dem Sturm alle Erwachsenen gestorben sind, müssen diese Kinder irgendwo anders Mütter gehabt haben, wenn schon nicht hier .«
    Wieder ein gutes Argument.
    »Du bist so still«, meint Emma. »Du hältst mich für verrückt.«
    Ich lache. »Ich halte dich nicht für verrückt. Ganz und gar nicht.«
    »Und du wirst es nicht weitersagen?«
    »Bei mir ist dein Geheimnis sicher.«
    »Danke, Gray.« Sie lächelt – ein schiefes Lächeln, bei dem sie nur einen Mundwinkel verzieht – und lässt sich dann mit einem tiefen Seufzer ins Gras sinken. Heute ist der Himmel wolkenlos, eine riesige blaue Fläche, mit nichts darin außer einer grellen Sonne. Emma rutscht herum, um es sich bequemer zu machen und liegt schließlich dichter bei mir als zuerst. Ich spüre, wie ihre Hüfte gegen meine Seite drückt. Jeder Muskel in meinem Körper schreit danach, mich umzudrehen, die Hände um ihr Gesicht zu legen und sie zu küssen, aber ich liege regungslos da. Was wir jetzt haben, ist fast perfekt und so angenehm, dass ich Angst habe, es zu zerstören. Ich möchte, dass mehr daraus wird, aber ich kann damit leben, wie es ist. Einstweilen.
    »In Ordnung, jetzt bin ich an der Reihe. Ich möchte dich etwas fragen, und du musst versprechen, es nicht weiterzuerzählen.«
    »Okay«, sagt sie, den Blick immer noch in den Himmel gerichtet.
    »Was würdest du tun, wenn du entdecken würdest, dass jemand etwas vor dir geheim hält?«
    »Es ihm auf den Kopf zusagen vielleicht.«
    »Und wenn das nicht geht? Wenn diese Person nicht mehr da ist?«
    »Dann würde ich wohl versuchen, jemand anderen zu finden, der vielleicht Bescheid weiß. Oder selbst anfangen, nach Antworten zu suchen.«
    »Und wenn du keine fändest?«
    »Dann suchst du nicht gründlich genug.«
    Ich schnaube verächtlich und denke an mein durchwühltes Schlafzimmer. Wenn Erklärungen existieren, dann befinden sie sich jedenfalls nicht in meinem Haus. Aber vielleicht könnte ich noch anderswo suchen. Möglich, dass ich, wie Emma meint, einfach nicht gründlich genug suche.
    »Führt das Krankenhaus Aufzeichnungen über Patienten?«
    »Was für Aufzeichnungen?«
    »Keine Ahnung. Irgendetwas. Geburten? Todesfälle? Etwas, das ein Patient bei einem Besuch gesagt hat?«
    »Sicher«, sagt sie und legt sich auf die Seite, sodass sie mich ansieht. »Aber diese Informationen sind nicht öffentlich zugänglich.«
    »Hör mal, Emma, ich muss einen Blick in eine Akte werfen. Es dauert nur ein paar Minuten.«
    »Wessen Akte?«
    »Die meiner Mutter.«
    »Ist sie diejenige, die dir etwas vorenthalten hat?«
    »Ja. Sie und Blaine.« Ich weiß, dass ich Emma vertrauen kann, daher ziehe ich den Brief, der mich seit Tagen verfolgt, aus der Tasche und reiche ihn ihr. Ihre Augen weiten sich, während sie ihn aufmerksam liest, und dann kommt sie zum Ende und sie wendet das Blatt und sucht nach der Fortsetzung.
    »Wo ist der Rest?«, fragt sie.
    »Das weiß ich nicht.«
    »In ihrer Akte liegt er nicht, so viel kann ich dir jetzt schon sagen.«
    »Aber vielleicht finden wir irgendeinen Hinweis.« Ich nehme den Brief, falte ihn zusammen und stecke ihn wieder in die Tasche. Ich spüre, wie sich zwischen meinen Augen die Anfänge eines Kopfschmerzes bilden, und kneife mir in den Nasenrücken.
    »Ich glaube wirklich nicht, dass du etwas finden wirst«, meint Emma und setzt sich auf.
    »Versuchen muss ich es trotzdem. Ich muss wissen, worüber sie da schreibt, sonst verliere ich noch den Verstand.«
    »Einverstanden. Morgen früh hat

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