Takeover
noch mit mir besprechen, und bat mich zurückzurufen. Aber ich habe seinen Anruf erst auf dem Flughafen in Chicago abgehört. Als ich dann versucht habe, ihn zurückzurufen, war er nicht zu erreichen.
Das Eigenartige daran ist, dass Rolf sein Handy grundsätzlich immer dabei hat. Wir haben uns deswegen oft gestritten, weil bei den unpassendsten Gelegenheiten sein dämliches Handy klingelte. Rolf muss zu dem Zeitpunkt, als ich versuchte ihn zu erreichen, schon gewusst haben, was los ist. Erst hat er mich angerufen, weil er dachte, es gäbe Ärger, als dann aber klar war, dass es Ärger für mich gibt und nicht für ihn, sah er dazu wohl keine Veranlassung mehr. Er hat verdammt schnell die Seiten gewechselt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Ganze in so kurzer Zeit möglich gewesen wäre, wenn Rolf nicht bereitgestanden hätte, meine Position zu übernehmen. Abgesehen von allem anderen ist er auch die falsche Besetzung für den Job. Ich bin mit Sicherheit zu ersetzen, jeder ist ersetzbar. Aber es ist genau so sicher, dass Rolf mit der Position des CEO überfordert sein wird .«
»Das kling nicht sehr wohlwollend, was du über Rolf erzählst. Ist das verletzter Stolz ?«
»Sagen wir Enttäuschung über seine fehlende Loyalität. Rolf und ich, wir konnten uns eigentlich nie so richtig leiden. Ich habe öfter daran gedacht, dass es besser wäre, wenn wir uns trennen und er das Unternehmen verlässt. Aber er hatte immer etwas gut bei mir, eben, weil ich ihn nicht leiden konnte. Ich finde es ungerecht und falsch, wenn man Leute danach beurteilt, ob man sie mag oder nicht. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich jemanden nur aus persönlichen Gründen rausgeschmissen hätte. Wenn man Macht über Menschen hat, dann hat man auch Verantwortung.
Das war das Dilemma mit Rolf, es gab immer wieder Gründe, ihn rauszuschmeißen, aber ich war mir nie sicher, ob die Gründe von mir nur vorgeschoben waren und meine Animosität mich dazu brachte, ihn falsch zu beurteilen. Aber wie es im Leben eben manchmal so geht, hat er jetzt seine Chance wahrgenommen, mich los zu werden. Eigentlich wundert es mich nicht, dass er die erste Möglichkeit ergriffen hat, mich zu verarschen. Was mich maßlos ärgert, ist, dass Rolf überhaupt die Gelegenheit geboten bekam, mich aus dem Unternehmen zu drängen. Aber es hat auch was Gutes. Ich fühle mich in meiner Abneigung gegen ihn bestätigt. Jetzt kann ich ohne schlechtes Gewissen sagen: Rolf, du bist ein Arschloch .«
»Du bist gerade aus deinem Unternehmen geflogen und freust dich darüber, jemanden endlich ohne schlechtes Gewissen Arschloch nennen zu können ?«
»Genau. Willst du nicht noch einen Donut ?«
»Nein danke, ich hatte schon drei. Wenn wir beide mal etwas mehr Zeit haben, musst du mir bitte erklären, was daran so lustig ist, wenn ich einen Donut esse. Und bis dahin könnten wir vielleicht versuchen, einen Weg zu finden, wie du dein Unternehmen wiederbekommst ?«
»Ich denke, es gibt da keinen Weg zurück. Die Pressemitteilungen sind raus, ich bin draußen und ziemlich bloßgestellt. Ganz egal, was passiert, das alles lässt sich nicht rückgängig machen. Es würde kein gutes Licht auf GermanNet werfen, wenn ich auf einmal wieder in Amt und Würden wäre. Wie sollte man das auch schlüssig begründen? Das Ganze würde nach einem Machtkampf im Unternehmen aussehen und das wäre, bei der montanen Marktsituation, das Letzte, was GermanNet brauchen könnte.
Ich werde GermanNet nicht riskieren, nur um meinem Ego zu schmeicheln. Mit Rolf, das ist ein anderes Thema. Dass er von seinem Verrat profitiert und CEO wird, das werde ich nicht hinnehmen .«
»Weißt du, mit wem aus dem Aufsichtsrat sich Rolf getroffen hat? Vielleicht können wir so herausbekommen, wer hinter all dem steckt ?«
»Rolf hat am Telefon gesagt, dass er sich mit zwei Vertretern von Venture Capital Gesellschaften treffen würde .«
»Und was sind das bitte für Gesellschaften und wer steckt dahinter ?« , fragte Judith leicht genervt.
»Gute Frage. Weißt du, im Nachhinein ist es schon ein bisschen komisch gewesen. Wir hatten damals angefangen, darüber nachzudenken, wie man mehr Kapital ins Unternehmen bringen und ein schnelleres Wachstum finanzieren könnte. Und plötzlich kamen zwei Venture Capital Gesellschaften auf mich zu und boten uns Kapital an .«
»Komischer Zufall, oder? Sie kamen genau zum richtigen Zeitpunkt. Hat dich das nicht stutzig gemacht ?«
»Und ob! Ich habe mich damals auch
Weitere Kostenlose Bücher