Takeover
riesige Eingangshalle des Gebäudes zu verlegen.
Die Stimmung war ziemlich aufgeheizt. Rolfs erste Amtshandlung war es gewesen, in einer Rundmail zu erklären, dass die Kosten gesenkt werden müssten. Vor allem die Personalkosten müssten schnell reduziert werden und wie üblich, wurde gleichzeitig versichert, dass man nach Möglichkeit ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen wolle. Rolf wollte sich nicht mehr Unmut von der Belegschaft zuziehen, als unbedingt notwendig war. Weiterhin hatte er erklärt, dass man das soziale Engagement des Unternehmens ganz zurückfahren müsse.
Rolf war sich sicher, dass er hier sofort Kosten einsparen konnte, ohne dass er mit Widerständen rechnen musste. Schließlich war niemand im Unternehmen direkt davon betroffen, wenn keine Suppenküchen mehr unterstützt wurden. Und überhaupt, wen interessierte schon dieses ganze soziale Getue. Es war bloß eines der Steckenpferde von Ferry. Solange Ferry hier das Sagen hatte, hatte sich niemand getraut, etwas dagegen vorzubringen. Aber damit sollte es jetzt vorbei sein. Doch er sollte bald erfahren, wie sehr er mit dieser Einschätzung daneben lag.
Rolf erfuhr von der Versammlung erst, als sich schon fast alle Mitarbeiter in der Halle versammelt hatten. Diana hatte sich einen Tisch in die Mitte der Eingangshalle gestellt, ein Megafon organisiert und so ein provisorisches Rednerpult geschaffen. Auf dem Tisch stehend und mit dem Megafon in der Hand ergriff sie mit einem flauen Gefühl im Magen das Wort: »Liebe Kollegen, ich finde es toll, dass ihr so zahlreich gekommen seid .«
Die Kollegen verstummten und sahen jetzt zu Diana hoch.
»Wie ihr alle wisst, ist Ferry Ranco am Wochenende abgelöst worden. Keiner weiß so recht warum. Unserem Unternehmen geht es gut. Verglichen mit den anderen in unserer Branche, geht es uns sogar hervorragend. Warum also die ganze Aufregung und der Rauswurf von Ferry?«
Von hinten bahnte sich jemand einen Weg durch die Menge.
»Ich kann euch diese Frage auch nicht beantworten, aber offensichtlich haben die Vertreter einiger Fond-Gesellschaften entschieden, dass sie Ferry nicht mehr wollen .«
Diana erkannte Angela aus der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Sie half ihr, auf den Tisch zu klettern und gab das Megafon an sie weiter. Es war gut, einen Profi neben sich zu haben.
»Kollegen, es geht hier nicht nur um Ferry, es geht darum, was aus diesem Unternehmen wird. Wir alle haben dieses Unternehmen aufgebaut und es zu dem gemacht, was es heute ist – die Nummer eins in Europa .«
Und Diana ergänzte: »Das soziale Engagement von GermanNet ist einer der Gründe, warum ich hier arbeite. Und ausgerechnet das will man ersatzlos streichen. Wir alle haben Gründe, warum wir gerade bei GermanNet sind, und das Geld ist eben nicht unser Hauptgrund. Wir sind hier, weil wir hier die Kultur finden, die wir wollen. Wir sind hier, weil GermanNet ein soziales und ein sexy Unternehmen ist .«
Diana wurde von lautem Klatschen und Pfeifen aus der Menge unterbrochen, und weil ihr die Luft wegblieb, übernahm Angela das Megafon.
»Kollegen, das Geld wird nicht an der Börse gemacht, wir verdienen es durch unsere Arbeit! Wir sind es, die das Unternehmen ausmachen. Wenn wir gehen, bricht hier alles zusammen. Wir verstehen etwas von diesem Business, das haben wir bewiesen. Es wird Zeit, dass auch die Aktionäre das begreifen .«
»Jawohl«, rief jemand aus der Menge, »die beiden haben Recht. Verweigern wir uns einfach ein wenig. Zeigen wir allen, wie es aussieht, wenn wir nicht tagtäglich engagiert und motiviert unseren Job machen. Machen wir eine Weile Dienst nach Vorschrift !«
»Genau«, stimmte Angela zu, »bevor wir gehen und uns neue Jobs suchen, sollten wir versuchen, das zu retten, was uns an diesem Unternehmen gefällt. Ich arbeite gerne hier, ich mag unsere Unternehmenskultur, und ich will und werde sie nicht kampflos aufgeben .«
Mit lautem Klatschen stimmten ihr die Kollegen zu, der Damm war gebrochen. Alle redeten durcheinander, die Versammlung zerfiel in kleine Grüppchen. Weitere Ansprachen vor der Versammlung waren nicht mehr möglich und auch nicht mehr notwendig. Diana und Angela stiegen vom Tisch herunter. Diana wunderte sich über sich selbst. Sie hatte noch nie vor so einer großen Menge gesprochen, und sie war erstaunt, mit wie viel Leidenschaft sie für GermanNet kämpfte.
»Danke, dass du mir da oben zur Seite gestanden hast, Angela .«
»Ich danke dir, dass du das hier
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