Takeover
dachte Manfred und beschloss, sich morgen vorsichtshalber krank zu melden.
Nachdem Manfreds Büro verwüstet war, hatte sich Rolf etwas beruhigt. Nun gut, es gab einige kleine Probleme, aber mit denen würde er fertig werden. Ferry hatte immer noch Freunde in Schlüsselpositionen, hier waren Widerstände zu erwarten gewesen. Aber was hier gerade geschah, war Sabotage. Diese Leute mussten weg und ersetzt werden. Und dann würde der Spuk ein Ende haben.
Rolf ging zurück in sein Büro. Er musste versuchen, Angela zu erreichen. Er brauchte schnell eine Kommunikationsstrategie für den ganzen Mist und außerdem wollte er Angela auf seine Seite ziehen. Bei Diana war das unmöglich, sie stand eindeutig auf Ferrys Seite und musste so schnell wie möglich beseitigt werden. Aber bei Angela war das letzte Wort noch nicht gesprochen. Er ging an seinen Computer und stellte erfreut fest, dass Angela im Intranet eingeloggt war, also noch in ihrem Büro sein musste. Schön. Er würde einfach zu ihr gehen.
Nach der Versammlung bei GermanNet war Angela völlig aufgekratzt mit einigen Kollegen etwas trinken gegangen. Gegen 22 Uhr erreichte sie ein Anruf aus dem Call Center, dass das Netz am Zusammenbrechen war, und GermanNet mit wütenden Anrufen verärgerter Kunden bombardiert wurde. Von der Kneipe ging Angela ziemlich beschwipst zurück ins Büro. Trotz allem war sie schließlich immer noch für die Öffentlichkeitsarbeit von GermanNet verantwortlich. Also holte sie im Büro den Kommunikationsplan für Krisensituationen heraus.
Wie viele andere Unternehmen auch hatte GermanNet vor einiger Zeit ein Krisenmanagementsystem eingeführt. Aus den Unternehmenskrisen, die durch Ereignisse wie zum Beispiel den Elch-Test oder durch Schadstoffe in Lebensmitteln ausgelöst worden waren, hatte man gelernt.
Es war klar geworden, dass es in einer Krisensituation am Wichtigsten ist, schnell und umsichtig zu reagieren. Auf Veranlassung von Angela war daher bei GermanNet ein Krisenplan entwickelt worden. In diesem war festgelegt, wer dem Krisenstab angehören sollte, und wie zu kommunizieren war. Die Umsetzung dieser Planung im Ernstfall und die Einberufung des Krisenstabes waren Angelas Aufgabe. Eigentlich. Heute nahm sie den Plan ziemlich widerwillig in die Hand, schließlich hatte sie das aktuelle Problem selbst mit auf den Weg gebracht. Und jetzt sollte sie dabei helfen, den Schaden zu begrenzen? Eine komische Situation. Ihre erste Aufgabe wäre es gewesen, den CEO zu informieren, aber sie zögerte Rolf Keller anzurufen. Angela saß in ihrem Büro, dem einzigen Zimmer auf ihrem Flur, das um diese Zeit noch besetzt war.
Sie hatte sich einen Kaffee gemacht, um wieder wach und etwas nüchterner zu werden, ihre Schuhe ausgezogen und die Beine auf den Tisch gelegt. In der Kneipe hatten sie eben noch die ersten Pressebilder von der Mitarbeiterversammlung herumgereicht. Angela stand neben Diana, sie sahen wirklich gut aus. Angela mit ihren schulterlangen blonden Haaren und Diana mit ihren dunklen. Zwei attraktive Frauen als Anführerinnen einer Mitarbeiterrevolte. Eine Meldung, die den Zeitungen gefiel. Erst recht, nachdem heute Nacht das gesamte Netz lahm gelegt worden war.
Angela hatte die Augen geschlossen und wartete darauf, dass der Kaffee endlich zu wirken begann. Sie war leicht eingenickt und bemerkte Rolf Keller erst, als er direkt vor ihr stand.
»Hallo Angela, schön, dass du noch da bist«, begann Rolf, und kam dann gleich zum Thema: »Wir müssen auf den ganzen Scheiß reagieren, und zwar sofort. Morgen wird uns die Presse fertig machen .«
Angela hatte erschrocken die Augen geöffnet.
»Hallo Rolf, ich habe mir gerade den Krisenmanagementplan vorgenommen«, sagte Angela verwirrt und zeigte auf den Ordner auf ihrem Schreibtisch.
»Wir brauchen eine gute Kommunikationsstrategie, Angela. Wir müssen das Ganze Ferry in die Schuhe schieben. Irgendetwas von Sabotage des rausgeschmissenen CEO oder so.«
Angela sah jetzt, dass Rolf völlig aufgelöst war. Er war verschwitzt und hatte rot unterlaufene Augen.
»Ich denke nicht, dass das funktionieren wird. Einer der ersten Grundsätze in Krisensituationen ist es, die Wahrheit zu erzählen. Die Öffentlichkeit bekommt sowieso schnell mit, was geschehen ist. Wenn man dann auch noch dabei erwischt wird, dass man etwas zusammenlügt, wird alles nur noch schlimmer. Alle Unternehmenskrisen der Vergangenheit haben gezeigt, dass der Schaden nur durch absolute Offenheit und
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