Takeover
ein Bild von Diana und Angela auf der ersten Seite des Wirtschaftteiles, beide standen in der Eingangshalle von GermanNet auf einem Tisch. Diana hatte das Megafon in der Hand. Die Bildunterschrift lautete »›Miss Berlin‹ führt Aufstand bei GermanNet an. Mitarbeiter wollen ihren alten Chef zurück und fordern Erhalt des sozialen Engagements des Unternehmens .«
Der Aktienkurs von GermanNet verlor in den ersten zehn Minuten nach Eröffnung der Börse fast 30% seines Wertes. Dann wurde der Handel der Aktie ausgesetzt.
In Analystenkreisen wurden sofort erste Zweifel an der Eignung von Rolf Keller als CEO laut. Direkt nach der Ablösung von Ferry hatte man sich an der Börse erst mal abwartend verhalten. In letzter Zeit war es zur Normalität geworden, dass Manager der New Economy abgelöst wurden. Die jüngste Entwicklung hatte jedoch dazu geführt, dass man sich GermanNet näher ansah. Die Frage kam auf, warum Ferry Ranco eigentlich gehen musste, und welche Qualifikationen Rolf Keller mitbrachte.
Ein Management-Guru wurde zitiert, der erklärte, dass das soziale Engagement von GermanNet ein entscheidender Bestandteil der Unternehmenskultur und Grundlage des außerordentlichen Erfolges von GermanNet war. Die aktuellen Ereignisse zeigten, dass GermanNet mit der Aufgabe seiner einzigartigen Unternehmenskultur eine seiner wichtigsten Erfolgskomponenten verspielte. Zuerst war die Versammlung der GermanNet-Mitarbeiter den Zeitungen kaum eine Meldung wert gewesen. Zwar hatten sich, auf Einladung von Angela, die ihre Beziehungen zur Presse spielen ließ, ein oder zwei Journalisten eingefunden. Aber erst nach dem Zusammenbrechen des Netzes war aus dem Aufstand eine wirkliche Meldung geworden. Diana und Angela wurden über Nacht zu Heldinnen.
Diana war noch in der Nacht von mehreren Zeitungs- und Fernsehredaktionen angerufen und um Interviews gebeten worden. Sie hatte schließlich um vier Uhr entnervt den Stecker des Telefons herausgezogen und versucht, wieder einzuschlafen. Als das nicht gelingen wollte, begann sie im Internet zu surfen. Zum Glück hatte sie noch einen Zugang bei T-online, denn bei GermanNet war es unmöglich, sich einzuwählen . Zu ihrer Überraschung fand sie nicht nur jede Menge Meldungen über die aktuellen technischen Probleme bei GermanNet , sondern auch eine Meldung über die Mitarbeiterversammlung. Sie war entsetzt, als sie las, dass man sie zur Anführerin des Aufstandes gemacht hatte. Und man hatte alte Bilder von der verhassten Misswahl aufgetrieben. Die Miss Berlin würde wohl bis zum Ende ihrer Tage an ihr kleben. Diana gab den Versuch noch einmal einzuschlafen auf und entschied sich, stattdessen zu joggen und dann ins Büro zu fahren.
Auch Rolf hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Sein Triumph hatte keine 48 Stunden gedauert. Als neuer CEO war er am Abend sofort angerufen worden, als das Netz zu kollabieren begann. Rolf war noch im Büro gewesen und hatte sich auf den Weg zum Büro des technischen Direktors gemacht.
»Manfred, was passiert hier für eine Scheiße ?« , schrie er Manfred Nord an, der gerade aus dem Operation Centre zurückkam.
»Das kann ich dir sagen. Es ist dir gelungen, innerhalb von wenigen Stunden die Mitarbeiter total zu demotivieren und das, was wir gerade erleben, ist das Resultat davon .«
»Du bist der Technische Direktor, könntest du freundlicherweise deinen Arsch in Bewegung setzen und das Problem lösen ?«
»Habe ich gerade versucht, du Schlaumeier, aber die Leute haben keine Lust. Und alleine kann ich das Netz nicht betreiben. Um es klar zu sagen, Rolf, die Leute halten dich für ein Arschloch. Und ich bin da ganz ihrer Meinung .«
»Du bist draußen, Manfred. Verschwinde !« , schrie Rolf.
Manfred zuckte nur mit den Achseln, nahm seine Jacke und ging. Beim Hinausgehen sagte er noch zu Rolf: » g enieße die Macht, so lange du sie noch hast. Du bist am Ende, Rolf, du weißt es offensichtlich nur noch nicht .«
Rolf nahm einen Stapel Papier, der auf Manfreds Schreibtisch lag, und warf ihn gegen die Wand. Das tat gut. Also fing er an, das ganze Büro zu demolieren.
Manfred stand draußen im Gang und wartete auf den Aufzug. Er konnte hören, wie Rolf in seinem Büro ausrastete. Im ersten Moment wollte er zurückgehen, aber dann entschied er sich, doch lieber weiter auf den Fahrstuhl zu warten und so schnell wie möglich hier rauszukommen .
»Die haben einen Wahnsinnigen zum CEO gemacht. Wer weiß, wozu der noch fähig ist«,
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