Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
Vom Netzwerk:
Gesicht. Es war ein ekelhaftes Gefühl, mit nackten Füßen den bepissten Beton entlangzulaufen, denn auch hier waren überall verräterische dunkle Flecken, wenn auch nicht so frische.
    Sie hatte es fast geschafft. Die glänzend türkise Vier auf der Stahltüre am Ende des schmalen Ganges schien ihr verheißungsvoll. Dahinter stand ihr Wagen. Es würde schon gut gehen, beruhigte sie sich. Doch dann hörte sie erneut die Stimme eines Mannes. Aber diesmal hörte sie auch noch eine Frau und atmete sofort auf. Die beiden lachten. Eine Autotür schlug zu. Kurz darauf sprang ein Motor an. Sie hörte, wie der Wagen über ihrem Kopf hinwegfuhr. Es war die dritte Etage. Sicher war das die Stimme gewesen, die sie vorher gehört hatte. Ihre Phantasie hatte die Situation falsch interpretiert. Geräuschvoll atmete sie aus. Ihre Erleichterung war enorm. Einen Moment lehnte sie sich an die Betonwand und schloss die Augen. Wenn nur dieses grauenhafte Angstgefühl von ihr weichen würde. Sie hasste dieses kribbelnde Gefühl in ihren Händen.
    Als Maja weiter auf die Stahltür zuging, die ihr Leben für immer verändern würde, machte sie sich nicht die Mühe, ihre Schuhe wieder anzuziehen. Sie wollte einfach nur möglichst schnell weg von hier. Dieser Ort war ihr immer schon unheimlich gewesen. Unter dem alten Justizpalast von Nizza waren sicher früher einmal Gefangene gefoltert worden, dachte sie. Bad Vibes. Eine grauenhafte Vorstellung, dass hier wahrscheinlich einst Gefangene unter grausamsten Bedingungen ihr Leben hatten lassen müssen. Albträume konnte man von diesem Ort bekommen. Sobald sie sicher in ihrem Auto saß, würde sie die Zentralverriegelung aktivieren. Mit diesem Gedanken öffnete sie die Tür.
    Die Typen waren zu dritt. Einer war jung, weißblond gefärbt und sehr muskulös. Die bunte Tätowierung einer großen Schlange zog sich von seiner Hand über den Bizeps seines rechten Arms bis über seinen Hals. Sie endete knapp unter dem linken Ohrläppchen mit der Schwanzspitze. Der Kopf der Schlange war auf seiner Hand, die gerade eine Schnapsflasche zum Mund führte. Er sah Maja als Erster und grinste.
    Der Zweite war deutlich älter, hatte einen Fettbauch und war unrasiert. Er kam Maja merkwürdig bekannt vor, so als seien sie sich bereits begegnet. Auch er verzog den Mund zu einem zufriedenen Grinsen, das faulige Zähne entblößte, und flüsterte dem Jungen ein paar Worte zu, die sie nicht verstehen konnte. Dann setzte er die Flasche ebenfalls an. Seine rot unterlaufenen Augen und der krankhaft geschwollene Leib zeugten von vielen Jahren des Alkoholmissbrauchs. Vielleicht war er erst um die vierzig.
    Der Dritte machte ihr am meisten Angst. Groß und drahtig strahlte sein Gesicht puren Sadismus aus. Er war ganz in Schwarz gekleidet, und sein eisgrauer Haarschnitt war frisch und präzise. Er sah nicht wie ein Obdachloser aus. Sogar sein T-Shirt, auf dessen Vorderseite ein angreifender Hai prangte, hatte Bügelfalten. Das passte nicht zusammen. Majas Verstand arbeitete auf Hochtouren. Sie wusste instinktiv, dass es auf jede Sekunde ankam. Ihr drohte Gefahr, aber es war nicht irgendeine Gefahr. Es war kein Zufall, dass diese Männer hier auf sie warteten. Das wusste Maja bereits in dem Moment, als der Haifischmann seinen beiden Komplizen zunickte. Die Männer hatten hier auf sie gewartet. Sie hatten sich direkt neben ihrem Auto niedergelassen. Nur zwei weitere Wagen standen zu dieser späten Stunde noch hier. Normalerweise brachen die Besucher der Altstadt früher auf. Und diejenigen, die zu viel getrunken hatten, ließen ihre Autos ohnehin bis zum nächsten Morgen stehen. Es war sogar ein neuer Mercedes dabei, neben dem der ältere kleine BMW ihres Vaters bescheiden aussah. Die Männer hatten es also nicht unbedingt auf ihren Wagen abgesehen.
    Maja sah sich fieberhaft um. Noch hatte sie den Knauf der Stahltür in der Hand. Vielleicht würde sie fliehen können. Ohne Schuhe war sie schnell. Sie würde auf dem Weg nach oben laut um Hilfe schreien. Es könnte ihr gelingen, wenn sie sofort losrennen würde. Aber genau das konnte sie nicht. Sie war wie gelähmt. Ihre Beine fühlten sich an, als wären sie aus Eis.
    »Hallo, Maja!«
    Seine Schritte waren sanft und präzise, als er auf sie zukam, wie die eines Pumas.
    Sie erstarrte. Er kannte ihren Namen. Jetzt musste sie schnell sein, das fühlte sie, denn sonst würde etwas Schreckliches geschehen. Sie sah sein Messer aufblitzen, drehte sich um und versuchte fortzurennen.

Weitere Kostenlose Bücher