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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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hatte ihr Bestes getan, um ihn ein letztes Mal ans Meer zu locken, und er war nicht gekommen. Sie musste in den Augen dieser Männer aussehen wie das geborene Opfer. Wut stieg in ihr hoch.
    »Warum haben Sie keine Angst? Wissen Sie nicht, was Ihnen von Seiten der Behörden blüht, wenn Sie eine Touristin in der Tiefgarage überfallen?«
    Immer noch hoffte Maja, dass das Ganze hier nur ein Albtraum war und sie jede Minute aufwachen würde. Aber das geschah nicht. Der Mann sah sie mit überlegenem Lächeln an.
    »Wie kommst du denn auf so eine Idee? Du hast dich uns angeboten. Du hattest Lust auf eine schnelle Nummer. Du magst Sex, oder? Sonst hättest du es mit dem Mann aus Kauai nicht im Wasser getrieben …«
    Der Haifischmann kannte also sogar Keanus Heimatort. Dann waren die Männer ganz sicher hinter ihm her und nicht hinter ihr.
    Er redete bereits weiter, in überheblichem Ton, als wäre sie eine Hure.
    »Was sagt dein Vater, wenn sein kleines Mädchen sich in Nizza mit einem dreckigen Kanaka herumtreibt, statt ihrem Haole Verlobten in München treu zu sein?«
    Jetzt packte Maja panische Angst.
    »Wer sind Sie? Und was wollen Sie?«
    Die Antwort war eine Ohrfeige. Hart und schnell schlug er ihr ins Gesicht. Der Schmerz kam so unerwartet, dass Maja laut aufschrie. Prompt schlug er wieder zu.
    »Du stellst mir keine Fragen, Prinzessin! Wenn, dann stelle ich hier die Fragen, verstanden?«
    Seine stahlgrauen Augen funkelten sie wütend an. Maja schwieg. Sie konnte nicht anders. Er hatte sie hart getroffen. Ihre Kieferknochen schmerzten von seinem ersten Schlag. Von dem zweiten war die Haut auf ihrem linken Wangenknochen aufgeplatzt. Jetzt erst sah sie den Totenkopfring an seiner Hand. Der Ring hatte sie verletzt. Sie konnte das Blut fühlen, das ihr über die Wange lief, wagte es aber nicht, ihre Hand zu heben. Aus Angst, er könnte erneut zuschlagen, mied sie seine Augen und sah zu Boden.
    In ihr liefen die Gedanken Amok. Irgendwie musste das alles einen Sinn ergeben. Ihr Peiniger hatte das Wort Kanaka benutzt. Er war auf der Suche nach Keanu. Bestimmt war er ebenfalls aus Hawaii. Warum sonst sollte er diese herablassende Bezeichnung für das hawaiische Volk benutzen. Maja hatte das Wort Kanaka vorher noch nie gehört, nicht einmal von ihrem Vater. Und wenn der Haifischmann über Stefan Bescheid wusste und sogar ihre Heiratspläne kannte, dann musste es eine Verbindung zu ihrer Familie geben. Wem sah dieser Mann ähnlich?
    Da er erneut mit seinen Komplizen sprach, musterte sie ihn durch den Schleier der Tränen, die ihr unkontrolliert über die Wangen liefen. Es waren vor allem Tränen der Wut.
    Der Haifischmann war knapp einen Kopf größer als sie, durchtrainiert und gut aussehend, wenn seine Gesichtszüge nicht so hart gewesen wären. Seine stahlgrauen Augen wirkten traurig, trotz der arroganten Überlegenheit, die aus ihnen sprach. Sein Kopf war fast kahl geschoren. Die eisgrauen Stoppeln auf seinem langen Schädel gingen in einen Dreitagebart über. Er könnte bereits um die fünfzig sein, dachte sie, aber durch die stahlharten Muskeln wirkte er jünger. Über seiner linken Augenbraue hatte er eine frische Narbe, in der schwarze Fäden zu sehen waren. In dem Auge darunter hatte sie vorhin in der Iris einen dunkelroten Bluterguss entdeckt. Ein professioneller Schläger? Ein Killer vielleicht, wie sie sie nur aus Filmen kannte?
    Was ihr an dem Mann die meiste Angst einflößte, war der Aufdruck des aufgerissenen Haifischmauls auf seinem T -Shirt. Vielleicht war das kindisch, aber es hatte mit der unheimlichen Reise zu tun, auf die Keanu sie in den letzten Tagen geschickt hatte. Sein Haifischzahn, die Geschichte von Elisa, in die Maja eingetaucht war wie in ihre eigenen Träume. Ein unheimlicher Gedanke überfiel sie. Elisa Vogels Augen waren stahlgrau. Könnte es sein, dass dieser Mann in irgendeiner Weise mit Elisa verwandt war?
    Der Haifischmann telefonierte jetzt. Er war ein paar Schritte beiseitegetreten, aber sie konnte hören, dass er Englisch sprach, amerikanisches Englisch.
    Währenddessen umkreisten die Franzosen Maja wie hungrige Wölfe. Sie tranken abwechselnd aus ihrer Flasche, grunzten Obszönitäten. Sie hatten jetzt sehr bald etwas mit ihr vor, wie sie aus ihren Gesten schloss. Bisher trauten sie sich nicht, ihr zu nahe zu kommen. Der Boss hatte das Sagen. Sie warteten darauf, dass Haifischmann sein Gespräch beendete und den Startschuss gab. Er machte die Ansagen. So viel hatte Maja verstanden.

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