Tal der Tausend Nebel
ein brutales Schwein!«
Kaum waren ihr die Worte aus dem Mund gerutscht, biss sie sich auf die Lippen. Wollte sie von diesem Mann totgeschlagen werden? Doch er lächelte.
»Ich mag Prinzessinnen, die hart im Nehmen sind. Im Bett machen sie einfach mehr Spaß.«
Der Spruch auf Französisch, den er hinzufügte, um den beiden Geiferern noch mehr Appetit zu machen, löste erneut schallendes Gelächter aus. Der Blonde öffnete bereits seine Gürtelschnalle.
Also gut, dachte Maja, darauf soll es also hinauslaufen. Er will mir Angst machen. Aber nie sollte man seine Angst zeigen, keinem Tier und vor allem auch keinem Menschen. Das hatte ihr Vater ihr beigebracht. Es hatte nur bisher noch nie wirklich gewirkt. Immer schon hatte Maja panische Angst vor Hunden. Angst kann man nicht gut verstecken. In kleinen Molekülen dringt sie aus den Poren der Haut und signalisiert dem Angreifer Unterlegenheit. Auch bestimmte Männer waren Maja seit frühster Kindheit unheimlich. Es gab Gründe dafür. Ein Pfefferspray hatte sie fast immer in ihrer Handtasche, auch in München. Ein Selbstverteidigungskurs war normaler Baustein ihrer Erziehung gewesen. Als weiblicher Teenager war man selbst in ihrer als sehr sicher geltenden Heimatstadt Gefahren ausgesetzt. Sie wusste eigentlich, wie sie sich beschützen musste, war mit Freundinnen in bedenkliche Länder gereist, in denen sich Frauen in Acht nehmen mussten. Immer schon neugierig und freiheitsliebend hatte sie bis jetzt jede Situation meistern können. Irgendwie würde sie auch jetzt entkommen, sagte sie sich. Irgendwie.
Wieder klang seine Stimme an ihr Ohr.
»Zum letzten Mal, wo ist dein Fick-Freund?«
Maja sah sich verzweifelt um. Ihre Handtasche, in der sie ihr Pfefferspray hatte, lag außer Reichweite. Als sie geschlagen wurde, war sie weggeflogen. Bestimmt fünf Meter waren es. Zudem konnte sie sich kaum bewegen. Ihre Hüfte und ihr Bein taten weh. Ihr war eisigkalt, und sie wusste, dass sie einen leichten Schock haben musste, denn sie nahm alles wie in Zeitlupe wahr.
Der Blonde begann unter den anfeuernden Rufen des Fetten, ein paar Schlafsäcke auf den Matten auszubreiten. Er sollte wohl der Erste sein, denn er ließ bereits seine Hose herunter. Panisch sah Maja sich um. Wo war die Überwachungskamera? Bemerkte niemand, was hier vor sich ging?
»Los, rede! Oder soll ich dich ihm überlassen?«
Der Haifischmann bohrte ihr auffordernd die Spitze seines Schuhs in die Seite. Dann griff er ihr unters Kinn. Er zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Seine Hand war kalt und zitterte, so als stünde auch er unter ganz besonderer Anspannung. Ob Angst oder Erregung konnte sie nicht deuten. Er flüsterte ihr leise zu, um von den anderen nicht gehört zu werden.
»Wenn du mir sagt, wo ich ihn finde, kann ich dich immer noch laufen lassen. Das wäre mir lieber.«
Maja sah ihm geradewegs in die Augen. Sie versuchte, ihre Angst zu verbergen, aber ihre Stimme war brüchig.
»Was hat Keanu Ihnen getan?«, wollte sie wissen, sah aber schnell in seinen Augen, dass ihre Frage ein Fehler war. Eilig fuhr sie fort, bevor er erneut seine Hand heben konnte.
»Ich muss unbedingt wissen, was er getan hat. Ist es etwas Schlimmes? Und was hat es mit meinem Vater zu tun?«
Abschätzend sah er sie an.
»Wie lange kennt ihr euch schon, Keanu und du?«
»Wir kennen uns erst seit Beginn des Seminars, seit wenigen Tagen und nicht sehr gut.«
»Aber vor dem Seminar habt ihr korrespondiert, oder? Du bist diejenige, die er in Europa treffen sollte? Die mit dem Erbschein? Dein Vater hat das eingefädelt, nicht wahr?«
Sein Tonfall klang jetzt anders, irgendwie um einiges kultivierter. Er passte zu den sauberen Fingernägeln, den teuren Schuhen, aber nicht zu den obdachlosen Dreckskerlen. Fieberhaft überlegte Maja, was sie ihm sagen sollte. Tatsächlich hatte sie Keanu erst bei dem Seminar kennengelernt, aber sie war sich nicht sicher, ob es klug wäre, das jetzt ehrlich zuzugeben. Daher schwieg sie.
Er wertete ihr Schweigen als Zustimmung und sprach weiter. Ein warnender Unterton schwang in seiner Stimme mit.
»Eure Leute haben sich in etwas verrannt, aber das wird so nie funktionieren. Bei dem Land geht es um viel zu viel Geld. Sie werden nie zulassen, dass die Kanaka ihr Land zurückbekommen. Du und dein Vater, ihr macht einen gefährlichen Fehler, wenn ihr euch da hineinziehen lasst.«
Scharf nahm er sie ins Visier.
»Es könnte euch viel kosten … vielleicht sogar euer Leben. Nicht ich bin der
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