Tal der Tausend Nebel
unsere letzte Königin, dass die meisten Weißen auf den Inseln Rassisten und Frauenhasser sind. Meine Großmutter hat mir Elisas Briefe gezeigt und auch die Antwortschreiben unserer Königin.«
Maja hörte den Stolz in seiner Stimme. Sie glaubte zu verstehen, wovon Keanu redete. Aber Ignoranz und Arroganz waren nicht nur Krankheiten der hawaiischen Inseln. Bittere Erfahrungen hatte auch ihr Vater wegen seines exotischen Aussehens in Deutschland gemacht, obwohl er in ihrer Heimat geboren war. Und auch Majas exotisches Aussehen hatte zu Vorurteilen geführt. Wie oft hatte sie ihre Freundinnen beneidet, weil sie nie gefragt wurden, ob sie aus China kämen. Rassismus war überall und trieb viele hässliche Blüten. Erst später, als Majas Aussehen etwas Besonderes war, hatte sich das Blatt gewendet. Sie galt als exotische Schönheit, ihre Freundinnen waren dagegen austauschbar.
Sie schwiegen jetzt beide. Dabei hatte sie noch so viele weitere Fragen.
»Wieso warst du genau im richtigen Moment in der Tiefgarage?«
Keanu zögerte einen Augenblick.
»Ich bin dir vom Restaurant zum Strand und danach bis zur Tiefgarage gefolgt. Die Waffe hatte ich die ganze Zeit bei mir. Ich wusste, dass Sharkman in der Stadt war. Man hatte mich gewarnt.«
»Du warst die ganze Zeit dort?«
Maja richtete sich erstaunt auf. Er nickte.
»Ich wusste seit unserer Nacht am Meer, dass wir von ihm beobachtet werden. Ich hatte Angst um dich. Aber ich dachte, dass er dich nur einschüchtern würde … ich hätte schon früher eingreifen müssen.«
Mit traurigem Lächeln zeigte er auf sein Herz.
»Wahrscheinlich werde ich von jetzt an auch am anderen Ende der Welt spüren, wenn es dir nicht gut geht. Wir haben uns miteinander verbunden … du bist jetzt immer bei mir.«
Maja stiegen Tränen in die Augen. Er war im Begriff, von ihr zu gehen. Sie konnte es nicht fassen. Auch sie fühlte sich mit ihm verbunden, auf eine Art und Weise, die ihr neu und unheimlich war. Aber es war so. Sie hatte Keanu so schnell in ihr Herz geschlossen und sich ihm so bedingungslos geöffnet, wie sie das noch bei keinem Mann vor ihm gewagt hatte. Und das lag gewiss auf eigentümliche Weise auch an Elisa. Auf eigentümliche Weise, genauer konnte sie es nicht definieren oder gar für ihn in Worte fassen. Aber sie fühlte sich Keanu zugehörig.
»Es ist so traurig, dass du schon fort musst …«
Ihre Stimme klang heiser, und sie war den Tränen nah. Mit einem Mal wollte Maja keine weiteren Fakten. Sie wollte ihn einfach nur bei sich spüren, griff nach seiner Hand und bemühte sich zu lächeln.
»Komm zu mir! Ein wenig Zeit haben wir doch noch, bevor dein Flieger geht, oder? Erzähl bitte weiter … erzähl mir von Elisa. Ich will deine Stimme hören …«
Keanu sah ihr tief in die Augen.
»Willst du wirklich nur … reden?«
Maja wurde heiß. Es war eine unglaubliche Liebesnacht mit ihm gewesen. In jedem Winkel ihres Körpers spürte sie auch jetzt noch die Spuren ihrer unvernünftigen Zärtlichkeiten. Er hatte vorsichtig ihre Hüften umfasst, um die Prellung zu untersuchen, die sich dort nach der Brutalität in der Garage unter einem Bluterguss abzeichnete. Dann hatte er den kleinen Riss auf ihrem Wangenknochen sorgfältig mit einem Pflaster aus ihrer Hausapotheke geklebt und zärtlich ihre geschlossenen Augenlider geküsst, während das leichte Schmerzmittel wirkte. Von sich aus hätte er nie mehr verlangt. Aber Maja wollte ihn. Obwohl sie ein grauenhaftes Erlebnis hinter sich hatte, oder vielleicht gerade deswegen, war ihre Sehnsucht, ihn ganz in sich zu spüren, so übermächtig gewesen, dass sie alle körperlichen Schmerzen vergaß, aber auch jegliche Vorsicht. Sie hatte sich nicht einmal mit einem Kondom geschützt. Sie musste wahnsinnig sein.
»Hier, genau hier hat der Hai Elisa damals gebissen.«
Jetzt zeichnete er mit seiner Fingerkuppe das Gebiss des Hais an ihrem Oberschenkel nach.
»Ich erzähle dir alles ganz genau, wenn du wirklich nur reden willst …«
In Maja stieg erneut Lust auf, aber sie hatte mit einem Mal große Angst. Es war unvernünftig gewesen, was sie zugelassen hatte, mehr als unvernünftig sogar. Unvernunft entsprach ganz und gar nicht ihrem Naturell. Hatte ihre überwältigende Lust vielleicht mit dem leichten Schock zu tun, den sie zweifellos hatte?
»Nein, ich will nicht nur reden. Ich will dich auch spüren … vielleicht sehen wir uns nie wieder.«
Erneut begann sie, mit ihm in die Wellen der Lust zu tauchen. Aber als
Weitere Kostenlose Bücher