Tal der Tausend Nebel
musste, die zum Teil völlig skrupellos waren. In der Politik hatten Immobilienspekulanten eine mächtige Lobby, vor allem in den USA . Die Skandale gingen bis in die obersten Regierungskreise. Es ging um sehr viel Geld. Milliarden waren es inzwischen. Die Szene in der Tiefgarage war nicht Keanus erste Begegnung mit dem Haifischmann, der sich für genug Geld hatte kaufen lassen, um unbequeme Gestalten wie Keanu einzuschüchtern oder notfalls aus dem Weg zu räumen. Aber was genau hatte Majas Vater damit zu tun? Sie fragte Keanu, aber er schüttelte den Kopf.
»Es ist zu gefährlich, wenn ich dir Details verrate, bevor alles unter Dach und Fach ist. Aber ich sage dir, dass ein Stück Land zu besitzen für uns Hawaiianer Heimat und Identität zugleich bedeutet. Wir werden von unseren Inseln verdrängt, obwohl wir mit ihnen fest verwurzelt sind. Doch jeder Quadratmeter auf den Inseln ist heutzutage reines Gold wert. Wie unwissende Kinder haben wir uns das Land lange von Fremden abkaufen lassen. Chinesen, Koreanern, Japanern und natürlich Amerikanern. Ihnen allen gehört ein Stück unserer Inseln … Nur noch das Geld regiert. Wir Ureinwohner haben keine mächtige Lobby. Uns fehlen Geld und Einfluss. Über Generationen führen wir einen vergeblichen Kampf, eigentlich seit der Zeit, in der unsere letzte Königin entmachtet wurde. Elisa wusste das von Anfang an.«
Maja nickte und legte ihren Kopf in seinen Schoß.
»Deshalb bist du in die Bildung gegangen, wie sie es damals mit Kelii tun wollte. Ist es ihr je gelungen? Konnte sie mit ihm eine Schule aufmachen, in der Weiße und Einheimische gemeinsam lernten?«
Keanu schüttelte traurig seinen Kopf.
»Diesen Traum konnte sie nie wirklich leben. Der Rassismus war so stark, dass sie sich schließlich zwischen einem der beiden Völker entscheiden musste.«
»Sie hat euer Volk gewählt, nicht wahr?«
»Nicht nur hat sie es gewählt, sondern Elisa hat es auf ihre Art beschützt, wie wir es damals nicht konnten. Unsere Sagen und Geschichten, unsere Kultur, das ist fast alles, was uns noch bleibt. Heute sind viele aus meinem Volk und Elisas Klan auf der ganzen Welt verstreut. Aber selbst von unserer stolzen Identität blieb auf den Inseln nicht viel übrig, geschweige denn von den einst enormen Reichtümern. Nur in unseren eigenen Schulen, auf die nur Kinder mit hawaiischem Blut gehen können, lebt das alte Hawaii noch. Ich will dafür sorgen, dass es uns auch in Zukunft noch gibt. Hawaii findest du irgendwann nur noch hier …«
Keanu nahm Majas Hand und legte sie auf seine Brust, direkt über sein Herz.
Sie spürte die Hitze seiner nackten Haut und schloss die Augen. Sie wollte sich ihr kurzes Zusammensein für immer einprägen.
»Erzähl mir mehr von Elisa …«
Er strich ihr zärtlich übers Haar, während er weiter über das sprach, was ihn am meisten im Leben beschäftigte.
»Elisa Vogel war überaus wichtig für uns. Sie war eine Weiße, aber nur ihre Haut war weiß. In ihrem Herzen war sie eine von uns. Auch unser Klan wurde von den Plantagenbesitzern lange schamlos ausgebeutet. Viele von uns starben unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Mit ständig neuen Gesetzesänderungen wurde das Land auf Kauai unter den reichen und mächtigen weißen Einwanderern aufgeteilt. Aber das Schlimmste war, dass die Weißen versuchten, die Ureinwohner mit kontinuierlicher Missachtung Stück für Stück ihrer Identität zu berauben. Dabei war es für die verschiedenen Stämme Hawaiis ohnehin nie einfach, sich zu einem einzigen Volk zu vereinigen. Unter den Inseln hatte es Fehden gegeben …«
»Unter den Kahuna?«
Keanu nickte und fuhr fort.
»Sie waren einst sehr mächtig, unsere Kahuna. Sie haben sich lange Zeit gegenseitig bekämpft, aber schließlich begannen sie, sich zu respektieren und auch zu unterstützen, da sie begriffen, dass wir als Hawaiianer zusammenhalten müssen. Die weißen Zuwanderer verhielten sich den Ureinwohnern gegenüber hingegen immer grober und respektloser. Auf Elisas Rat hin hat mein Klan um 1900 beschlossen in künftigen Generationen nur noch unter sich zu heiraten. Das hawaiische Blut sollte wieder stark und stolz werden …«
» Don’t mix the blood …?«
»Eine Überlebensstrategie, zu der meine Ahnin riet, weil sie die Weißen sehr gut kannte. Elisa wusste, wie zerstörerisch Ignoranz und Arroganz sind, wenn sie mit Gier gepaart werden. Sie selbst hatte schlimme Erfahrungen mit ihrem eigenen Volk gemacht. Elisa schrieb einmal an
Weitere Kostenlose Bücher