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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Zukunft machte ihr Mut. Es war auch der Gedanke an Maja, ihre neue Freundin, die in einer anderen Zeit lebte, oder vielleicht schon im Himmel. Dann war da Großvater Hai, der ihre Haut im Wasser stählte, damit sie stark bleiben konnte. Und es war auch ihre Liebe zu Kelii, die sie beschützte.
    Elisa harrte aus, bis die Männer ihre Suche in der Höhle aufgaben. Sie fragte sich, ob Johannes derjenige sein würde, der ihrer Mutter die Nachricht überbrachte. Was würden die Männer sagen? Elisa sei übermütig, vom Mondlicht betrunken, zum Schwimmen in den nächtlichen See gegangen und dort ertrunken? Was würden sie mit ihrem Kleid machen? Würden sie es verbrennen? Die verräterischen Spuren von Blut und männlicher Lust für immer verschwinden lassen? Solche Gedanken gingen Elisa durch den Kopf, während sie ruhig wie der Hai im Riff aus sicherer Distanz die hilflosen Männer beobachtete.
    Gerit Janson war der reichste Mann der Insel. Er würde Wege finden, um zu erklären, was passiert war. Niemand würde ihn je dafür zur Rechenschaft ziehen. Noch immer verstand Elisa nicht ganz, warum er ihr überhaupt Gewalt angetan hatte, aber sie war kein Mann, der sich beweisen musste. Sie verstand nicht, was sie antrieb, diese Männer, verstand nicht, was in den dunklen Anteilen ihrer Seelen vorging. Einen Moment, als Janson mit Johannes auf das Wasser in ihre Richtung starrte, tat er ihr leid. Seine Augen waren die eines Wildes, das von einem Jäger gehetzt wurde. Seine Stimme klang gebrochen.
    »Das wollte ich nicht … ich wollte Hilfe holen, weil sie plötzlich ohnmächtig wurde … Sie hatte mich gereizt. Sie wissen schon. Paul wollte sie unbedingt mit mir verheiraten. Ich wollte nicht, auch wegen ihrer Behinderung. Aber er hatte sie wohl auf mich angesetzt. Sie sollte mich verführen. Erst hieß es, sie wollte mir nur ihre Narbe zeigen. Aber dann … Bitte, Johannes, glauben Sie mir, nie hätte ich für möglich gehalten, dass sie ins Wasser geht.«
    Johannes hatte sich halbwegs wieder gefasst. Aber er sah Janson nicht an, als er ihm nach längerem Schweigen antwortete.
    »Wir sollten morgen bei Tageslicht zurückkommen, mit mehr Männern. Wir müssen ihren Körper bergen … Elisas Mutter … ihre Tochter muss begraben werden.«
    Seine Stimme erstarb. Er konnte nicht weiterreden. Elisa liebte ihn in diesem Moment dafür. Johannes reagierte wie ein Kind. So gut hatten sie sich in der kurzen Zeit nicht kennengelernt, dennoch hatte sie sofort gefühlt, dass ihr Vater recht hatte. Johannes war ein feiner Kerl.
    Janson klopfte ihm auf die Schulter, so als wollte er den Jüngeren dazu ermahnen, sich nicht erneut seinen Emotionen hinzugeben.
    »Sie leiten das Notwendige in die Wege. Ich muss leider so schnell wie möglich nach Lihue zurück. Meine Geschäfte erwarten mich.«
    Johannes schwieg. Im Licht der Fackel sah sein Gesicht jetzt zehn Jahre älter aus.
    »Allein weiß ich nicht, wie ich Elisas Mutter und ihrem Onkel erklären soll, was hier heute Nacht vorgefallen ist. Es wäre besser, wenn Sie mich noch zurück zur Plantage begleiten könnten.«
    Wieder legte ihm Janson seine Hand auf die Schulter.
    »Natürlich fahre ich noch mit zurück und erkläre alles. Auch sollten wir das Kleid zusammen übergeben, nachdem Sie es ein wenig im Wasser gereinigt haben. Die Mutter wäre bestimmt nicht erfreut über die Verunreinigung. Mütter sehen ihre Töchter gerne als Unschuldslämmer. Das ungehörige Verhalten von Elisa werde ich nicht erwähnen. Sie wollte schwimmen gehen und kam nicht wieder. Wir fanden nur noch ihr Kleid.«
    Wieder schwieg Johannes länger, bevor er antwortete.
    »In Ordnung. Und den Morgen werden Sie nicht mehr abwarten?«
    »Nein, den Suchtrupp leiten Sie. Denken Sie immer daran, junger Freund, solche Dinge passieren nun einmal. Ich bin mir sicher, Elisa wollte nicht aus dem Leben scheiden. Sie ist ganz einfach beim Schwimmen von einer Schwäche befallen worden.«
    Er drückte Johannes das Kleid in die Hand. Als er sah, wie Johannes zögerte, fügte er noch ein paar Worte hinzu, die Elisa in ihrem Versteck aufhorchen ließen.
    »Wann genau kommt ihre schwangere Freundin auf meine Plantage? Leilani ist übrigens ein sehr schöner Name …«
    Das war es! Damit hatte sich Janson in Johannes’ Gunst eingekauft. Nicht nur den Posten des Verwalters hatte er ihm angeboten, sondern auch ein Leben mit Leilani und ihrem gemeinsamen Kind. Jetzt verstand Elisa ihren neuen Freund. Sie sah ihm zu, wie er ihr Kleid in

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