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Tal der Tausend Nebel

Tal der Tausend Nebel

Titel: Tal der Tausend Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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Meeresrauschen glaubte Maja wahrzunehmen. Maja schluckte. Sie hatte mit einem Mal einen Kloß im Hals. Die junge Frau schien es nicht zu bemerken.
    »Legen Sie sich einfach mit dem Rücken auf die Massagebank und entspannen Sie sich. Ich heiße übrigens Malika, das ist mein hawaiischer Name und bedeutet so viel wie Biene. Fleißige Biene und Sammlerin der süßen Kraft. Wie ist Ihr hawaiischer Name? Oder darf ich du zu dir sagen?«
    Mit dem Du war Maja sofort einverstanden, aber dann musste sie zugeben, weder einen Namen aus Hawaii noch eine besondere Verbindung zu der Inselgruppe zu haben. Das klang selbst in ihren eigenen Ohren ein wenig kläglich, weshalb sie sich schnell verbesserte.
    »Ich meine, ich hatte bisher wenig Verbindung zu Hawaii. Außer natürlich meine Begegnung mit Keanu und durch ihn in letzter Zeit meine Träume über Elisa Vogel. Aber daran ist nur Keanu Schuld. Vor der Begegnung mit ihm habe ich nie von Hawaii geträumt …«
    Elisa hatte sich auf die Massagebank zwischen die warmen Laken gelegt. Sie sah mit einer gewissen Unruhe zu, wie Malika ihre Hände tief in ein Gefäß mit goldenem Öl tauchte.
    »Ich verwende eine Mischung aus Ölen, weil ich mir das teure Kukuinuss-Öl aus Hawaii in purer Form nicht leisten kann, sorry! Aber es ist immerhin Kukuinuss in meinem Öl enthalten. Meine Massage dauert gewöhnlich rund zwei Stunden, aber wenn es dir zu viel wird, dann musst du es einfach sagen … Es ist eine sehr intensive Arbeit. Sie dringt in die Seele ein, wie man in Hawaii sagt, ist starkes Mana und wurde früher ausschließlich von erfahrenen Kahuna angewendet.«
    Das Wort Kahuna sagte Maja inzwischen etwas, aber der andere Begriff war für sie schwammig, obwohl ihr auch Mana in ihren nächtlichen Recherchen einige Male begegnet war.
    »Was genau bedeutet das Wort Mana?«
    Majas Stimme klang merkwürdig spröde in ihren Ohren, weit weg von dem Meeresrauschen mit der sanften Männerstimme aus Hawaii.
    Malika hatte begonnen, Majas Rücken sanft und rhythmisch mit dem warmen Öl zu bestreichen. Ihre Worte vermischten sich mit den anderen Klängen, während Maja unter den kräftigen Streichbewegungen von Malikas Ellenbogen begann, sich tiefer und tiefer zu entspannen.
    »Als Mana bezeichnen wir Hawaiianer eine Kraft, die sowohl die jenseitige Welt der Götter und Ahnen prägt als auch die diesseitige Welt des täglichen Lebens durchdringt. Mana ist überall und in jedem von uns. Wenn man vom Erwecken des Mana spricht, so ist deine spirituelle Energie gemeint. Aber es ist immer lediglich deine eigene Energie, die du spüren kannst, nie eine andere, wenn du dich dem Lomi Lomi hingibst. Vielleicht aber wird diese Energie stärker sein als sonst, vielleicht wirst du das Gefühl haben, deinen Körper zu verlassen, oder aber er wird dir fremd vorkommen. Manche begeben sich auch auf Reisen bei dieser Massageform, auf Reisen zu sich selbst, in ihr Inneres, oder aber zu Teilen ihrer Seele, die im Alltag keinen Platz haben. Was auch immer es ist, lass es einfach geschehen. Vertraue mir …«
    Maja konnte nicht anders, als sich vollständig zu entspannen. Sie war bereits im Begriff, wegzudriften, als ihr letzter Gedanke Elisa galt. Ihr war, als spürte sie die Freundin mit einem Mal unmittelbar neben sich.

14. Kapitel
    Oahu Mountains, Herbst 1894

    Hokus Hände waren für Elisa voller Widersprüche. Einerseits beweglich und lebhaft wie die eines Kindes, wirkten sie andererseits zerbrechlich vom Alter. Sie waren trocken wie in der Sonne verdorrte Äste. Wie der Hals der Riesenschildkröte, die in Hokus magischem Garten bei den Wasserfällen lebte, waren ihre Finger voller Falten. Ebenso wie ihr Gesicht erzählten Hokus Hände Geschichten. Wie kleine Schmetterlinge schlüpften sie nach und nach aus ihren Fingerspitzen, während sie bei Elisas Behandlung ihre Lieder summte.
    Die Alte sah zu Kelii rüber, der nicht weit von ihnen auf einem Felsen saß und schnitzte. Ihre Stimme war harsch aber liebevoll.
    »Mach schon, dass du hier wegkommst und uns zum Abendessen ein paar Fische fängst. Ich will allein mit Elisa sein.«
    Die legendäre Kahuna, die seit vielen Jahren das hawaiische Königshaus beriet, summte vor sich hin, während sie ihre Hände über Elisas Hautoberfläche gleiten ließ. Sie berührte ihre Haut dabei kein einziges Mal. Ihre Augen waren fest geschlossen, das Gesicht voller Konzentration. Elisa kannte diese Art der Heilung bereits. Kelii hatte sie auf diese Art schon öfter behandelt.

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